Veranstaltungsrückblick: Mein Vater der Spion

Geheimdienste arbeiten im Geheimen und viele Agentenbiografien kommen daher erst Jahrzehnte später ans Licht. Oft werden sie von Historikern in Archiven entdeckt, teils aber auch durch die eigenen Angehörigen. Ein solcher Fall wurde im Rahmen einer Buchpräsentation im Deutschen Spionagemuseum vorgestellt.

Dem geheimnisvollen Leben der spionierenden Eltern auf der Spur

Das Leben von Jürgen Tatzkow änderte sich radikal, als er 15 Jahre alt war und seine Eltern von der Stasi als CIA-Agenten festgenommen wurden. Beide erhalten lange Haftstrafen. Nach mehrjährigen Recherchen hat Jürgen Tatzkow dieses ungewöhnliche Kapitel seines Lebens in der Publikation Mein Vater, der Spion – Im Auftrag von CIA und MfS aufgearbeitet. Am 26. Juni 2025 stellte er das Buch im Deutschen Spionagemuseum vor.

Tatzkows Vater Horst Tatzkow arbeitete im DDR-Staatsapparat und war daher für westliche Geheimdienste eine vielversprechende Quelle. 1958 wurde er durch einen Freund vom US-Geheimdienst CIA angeworben und spionierte bis zu seiner Enttarnung 1968 für diesen. Warum der Vater diesen Schritt ging, hat Jürgen Tatzkow lange beschäftigt.

Moderator Helmut Müller-Enbergs und Autor Jürgen Tatzkow im Gespräch

Ein Grund für die Spionagetätigkeit dürfte darin liegen, dass der Vater nach dem Bruch mit dem Stalinismus durch Chruschtschow ab dem 20. Parteitag der KPDSU 1956 zunehmend Zweifel am DDR-System entwickelt hatte. Tatzkow vermutet zudem, dass der Vater eventuell erpressbar war, da er – so der Verdacht des Sohnes – heimlich in einen Mann verliebt war. Auch wenn das nach DDR-Recht offiziell kein Problem darstellte, wurde Homosexualität in der damaligen Gesellschaft dennoch oft immer noch geächtet.

Spionagearbeit im Kalten Krieg

Bis zum Mauerbau gestaltete sich der Austausch mit dem Geheimdienst noch recht einfach, regelmäßig reiste das Paar – die Ehefrau war in die Spionageaktivitäten eingebunden – nach West-Berlin. Nach dem Mauerbau gestaltete sich der Kontakt aufwendiger über Zahlensender, Geheimtinte und Tote Briefkästen. Der Vater arbeitete mittlerweile nicht mehr beim Staat, konnte aber an der neuen Stelle in einem Unternehmen Wirtschaftsspionage betreiben.

Schließlich fielen der Stasi einige der fingierten Briefe mit Geheimtinte in die Hände. Es gelang, den Vater als Absender zu identifizieren. Nach einer umfassenden Observation erfolgte 1968 die Verhaftung des Ehepaars. Auch wenn das Ereignis für den jungen Jürgen Tatzkow ein Schock war, berichtet er überraschend positives zu seiner Erfahrung mit den Stasi-Mitarbeitern.

Während der Hausdurchsuchung waren sie verständnisvoll bezüglich der schwierigen Situation der beiden Söhne des Ehepaars. Der anwesende Staatsanwalt kochte sogar mit ihm jene Spagetti zu Ende, die seine Mutter begonnen hatte. Später kam der Vernehmer der Eltern persönlich in der Wohnung vorbei, um zu sehen, wie die Brüder alleine zurechtkommen. Er besprach sich zudem mit dem Schuldirektor und arrangierte vermutlich, dass die beiden Brüder nicht zu Verwandten aufs Land oder ins Heim ziehen mussten, sondern in ihrem gewohnten Umfeld bleiben durften.

Seitenwechsel im Gefängnis

Für den Vater bedeutete die Verhaftung keineswegs ein Ende der Spionagetätigkeit. In der Untersuchungshaft erklärte er sich bereit, als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) für die Stasi zu arbeiten. So kam er trotz einer lebenslänglichen Verurteilung nach vier Jahren wieder nach Hause, die Mutter war bereits 1971 entlassen worden.

Die familiäre Wiedervereinigung schilderte Tatzkow allerdings nicht als Happy End: die Eltern, vor allem der Vater, war den Kindern fremd geworden. Erst viel später, von den 1990er-Jahren, näherte sich der Sohn dem Vater wieder an. Unter anderem führte er auch Zeitzeugeninterviews mit ihm.

Diese bildeten eine Grundlage für die jetzt erschienene Publikation. Ergänzend recherchierte Tatzkow in diversen Archiven. Vor allem durch die persönliche Ebene bietet Tatzkows Publikation ebenso ungewöhnliche wie unterhaltsame Einblicke in die Welt der Spionage.


Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 25.07.2025