Geschichte der Geheimtinte – Teil 1

Der geheime Austausch von Informationen gehört zum Alltagsgeschäft von Spionen. In einigen Artikeln haben wir uns bereits ausführlich mit der Geschichte der Kryptografie auseinandergesetzt. Nun wollen wir ein Verfahren zu beleuchten, das in der Welt der Spionage ebenfalls ein unerlässliches Handwerkszeug darstellt: die Geheimtinte.

Einleitung: Kategorien von Geheimtinten

Bei der Kryptografie wird ein Text durch ein Verschlüsselungsverfahren verändert, damit er für Außenstehende nicht lesbar ist. Die Geheimtinte dagegen gehört zu den steganografischen Verfahren. Der Begriff Steganografie stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt ungefähr „bedecktes/verdecktes Schreiben“. Der Text wird also nicht verändert, sondern versteckt. Sehr oft werden kryptografische und steganografische Verfahren in Kombination eingesetzt, um eine höchstmögliche Sicherheit der Information zu gewährleisten.

Die erste und einfachste Methode für Geheimtinte bestand in der Nutzung organischer Flüssigkeiten. Dabei handelte es sich um Pflanzen- oder auch Köpersäfte, die nach dem Trocknen praktisch unsichtbar sind. Berühmt ist die Methode mit Zitronensaft, aber auch der Saft anderer Pflanzen lässt sich nutzen. Ebenso nutzbar sind körpereigene Säfte wie Schweiß oder Urin. In vielen Situationen sind diese Körpersäfte deutlich leichter verfügbar als Pflanzensäfte.

Geheimtinte der Staatssicherheit der DDR, 1980er-Jahre
[Sammlung Deutsches Spionagemuseum]

Alle organischen Flüssigkeiten verdunkeln sich, sobald sie erwärmt werden. Dadurch wird die zuvor unsichtbare Schrift sichtbar – meistens in einem Braunton. Das passiert, weil die Säure in diesen Flüssigkeiten die Fasern des beschriebenen Materials, Papyrus, Pergament oder Papier, angreift. Diese geschwächten Stellen reagieren dann schneller auf Wärme als der Rest des Materials.

Ähnlich wie bei der Kryptografie kamen im Laufe der Jahrhunderte immer kompliziertere Verfahren auf. Um ein allzu leichtes Entdecken der Geheimtinten durch simples Erwärmen zu verhindern, entwickelte man Substanzen, die nicht auf Wärme regieren, sondern erst nach Zugabe einer anderen Substanz sichtbar wurden. Diese Substanzen mussten allerdings in teils komplizierten Verfahren chemisch hergestellt werden. Die Herstellung von Geheimtinte entwickelte sich immer mehr zu einer eigenen Wissenschaft.

Noch raffinierter waren schließlich Geheimtinten, die mit speziellen Substanzen sichtbar gemacht und anschließend wieder verschwanden. Das brachte einige Vorteile mit sich: Wenn zum Beispiel ein komplizierter Schlüsselcode in Geheimtinte versandt wurde, ließ sich dieser immer wieder ablesen und verbergen. Falls die Geheimtinte dauerhaft sichtbar bliebe, wäre entweder der Code in Gefahr, oder der Empfänger müsste das verräterische Schriftstück vernichten und hoffen, dass er sich den Code merken kann.

Die Tarnung: Zwischen den Zeilen lesen

Auch wenn die mit Geheimtinte geschriebene Schrift nach dem Trocknen unsichtbar ist, muss sie dennoch zusätzlich getarnt werden. Die Geheimnachricht auf ein leeres Blatt zu schreiben und dieses zu verschicken, würde unnötig Misstrauen erregen. Aus diesem Grund schreibt man die Geheimnachricht zwischen die Zeilen eines unverfänglichen Briefs, eines Artikels in einer Zeitschrift oder auch auf Notenblätter. Diese Schriftstücke lassen sich dann unauffällig verschicken oder austauschen.

Auf den ersten Blick unauffällig, doch oft verstecken sich
die Geheimnisse zwischen den Zeilen [Symbolbild]

Außerdem müssen Spione darauf achten, dass die mitgeführte Geheimtinte nicht als solche zu erkennen ist. Idealerweise besteht die Tinte aus Substanzen, die sich leicht besorgen lassen, sodass die Tinte nur bei Bedarf hergestellt werden muss. Einige kompliziertere Tinten allerdings müssen in den Speziallaboren der Geheimdienste gemischt und die Tinte dann in Alltagsgegenständen wie Parfums, Mundwasser oder Zahnpasta-Tuben getarnt werden.

Eine raffinierte Tarnmethode kam im 1. Weltkrieg zur Anwendung: Man tauchte Stofftücher in die Geheimtinte, damit sie sich vollsogen. Diese Tücher ließen sich unauffällig transportieren. Wollte der Spion die Geheimtinte nutzen, legte er das Tuch in ein Gefäß mit Wasser, die Tinte löste sich und war somit zum Schreiben nutzbar.

Nach dieser grundsätzlichen Einführung über die Arten und die Methoden von Geheimtinte, wollen wir uns anschauen, wie sich Geheimtinten im Laufe der Geschichte verändert haben und wer sie wann einsetzte.

Ursprünge der Geheimtinte in der Antike

Geheimtinte ist bereits sehr lange im Einsatz. Die erste konkrete Nutzung von Geheimtinte im Sinne einer Tinte, die nach dem Schreiben unsichtbar ist und erst durch eine bestimmte Behandlung wieder erscheint, lieferte im 3. Jahrhundert v. Chr. der griechische Ingenieur und Physiker Philon von Byzanz. Er berichtete von einer Geheimtinte aus dem Sud von Galläpfeln, die sich mit einer Lösung aus eisenhaltigem Kupfersalz sichtbar machen ließ. Der Vorteil: Die Substanzen waren damals recht leicht zu  beschaffen, da sie oft als Bestandteil Tinten oder als Färbmittel in der Lederherstellung genutzt wurden.

Weitere Berichte über Geheimtinten stammen aus römischer Zeit. Neben dem oben beschriebenen Einsatz von Pflanzensäften, wie ihn auch der römische Gelehrte Plinius der Ältere (23/24 -79) am Beispiel der Blütenpflanze Wolfsmilch beschrieb, tauchten weitere Verfahren auf. Der römische Dichter Ovid (20 v. Chr. – 17 n. Chr.) empfahl, Geheimtinte mit Milch zu schreiben und diesen mit darüber gestreutem Kohlepulver sichtbar zu machen. Der Hintergrund: Mit der Zugabe von Substanzen wie Kohlepulver – oder auch Grünspann – werden Tinten aus fetthaltigen Substanzen sichtbar.

Nachweise für die Nutzung eines Klassikers der Geheimtinten treten erst recht spät auf: Die erste Überlieferung für den Einsatz von Zitronensaft stammt aus dem arabischen Raum im 6. Jahrhundert n. Chr. Wie wir im 2. Teil zur Geschichte der Geheimtinte sehen werden, blieb diese einfache Methode trotz zahlreicher Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der unsichtbaren Tinten bis ins 20. Jahrhundert hinein im Einsatz.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 16.09.2022