Werner Großmann – der letzte Chef der DDR-Auslandsaufklärung HV A ist tot

Der frühere Vize-Minister für Staatssicherheit und letzte Chef des DDR-Auslandsspionage HV A Werner Großmann starb am 28. Januar 2022 im Alter von 92 Jahren. Seine Auftritte nach der Wende führten regelmäßig zu Protesten.

Ein steter Verfechter der Stasi

Großmann, einst einer der Stellvertreter von Stasi-Chef Erich Mielke, hatte in Interviews und Publikationen die Arbeit des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bis zuletzt gerechtfertigt. 1986 wurde er Nachfolger des langjährigen HV A-Spionagechefs Markus Wolf.

Großmann im Zeitzeugen-Interview für das Deutsche Spionagemuseum (2015)

Eine Anklage gegen den Ex-Stasi-Generaloberst wegen Landesverrats und Bestechung zog der Generalbundesanwalt 1995 zurück. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht die Strafverfolgung von hauptamtlichen Stasi-Spionagemitarbeitern als verfassungswidrig eingestuft. Großmann saß daher nach seiner Festnahme am 3. Oktober 1990 nur einen Tag im Gefängnis. 

Großmanns „Kundschafter des Friedens” 

Die Anzahl der von der DDR-Auslandsaufklärung HV A geführten Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) umfasste im Jahre 1989 rund 13.400 in der DDR und weitere 1.550 in der Bundesrepublik. Über 40 Jahre hinweg werden nach Hochrechnungen insgesamt rund 6.000 Bundesbürger und Westberliner IM der HV A gewesen sein. 

Inoffiziell wurden die im Ausland tätigen HV A-Agenten „Kundschafter des Friedens” genannt. Sie versuchten damit, sich von den Machenschaften der Geheimpolizei Stasi zu distanzieren. In Folge gelang es den selbsterklärten „Kundschafter des Friedens”, sich als Aufklärer mit weißen Westen zu inszenieren und die mit der Repression im Inland nichts zu tun hatten.  

Mit dem Zugang zu den Stasi-Unterlagen wurde offenbar, dass die Agenten der HV A nicht nur im Ausland spioniert, sondern auch eng mit den Inlands-Abteilungen der Stasi zusammengearbeitet hatten. Vermeintlich feindliche Kräfte waren weder hier noch dort sicher vor Maßnahmen wie psychischem Druck, Entführungen und geheimpolizeilicher Gewalt.  

Großmann (3.v.l.) bei einer Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum (2017)

Der Fluchthelfer und in den Augen der Stasi „Staatsfeind” der DDR, Wolfgang Welsch, wurde gleich dreimal zum Ziel von Mordanschlägen. Die Aufklärung der Verbrechen nach 1990 gestaltete sich jedoch äußerst kompliziert, da die HV A sich nach dem Mauerfall selbst auflösen und ihre Akten nahezu vollständig vernichten konnte. 

Zeitzeuge im Deutschen Spionagemuseum 

Werner Großmann blieb bis zum Ende seiner Weltanschauung und seinen Überzeugungen treu. Auch wenn sie einer Diktatur dienten, der viele Menschen zum Opfer fielen. Ein Unrechtsbewusstsein ließ sich bei Großmann nicht finden – auch, wenn er 2007 einmal einräumte: „Menschenrechtsverletzungen hat es generell nicht gegeben, in Einzelfragen aber möglicherweise ja.“.

Er war und bleibt ein wichtiger Zeitzeuge für das Deutsche Spionagemuseum. Seine umfassenden Aussagen aus dem exklusiv mit dem Deutschen Spionagemuseum geführten Interview über seine Arbeit für die Auslandsaufklärung der DDR und die Rolle der HV A im Kalten Krieg sind in der Dauerausstellung zu sehen. 

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 31.01.2022