Rückblick: Ein Präsident verschwindet – Rätselhafte Fälle der deutschen Geschichte

Bestsellerautor Ralf Langroth verschmilzt in einer Roman-Trilogie um den amerikanischen Geheimagenten Philipp Gerber gekonnt Fiktion und Zeitgeschichte. Der zweite Band führt tief ins Spionagemilieu der 1950er-Jahre. Welchen besseren Ort hätte sich der Autor also aussuchen können, um diesen Band vorzustellen, als das Deutsche Spionagemuseum?

Autor mit geheimnisvollem Pseudonym und nachrichtendienstlicher Erfahrung

Aus Anlass der diesjährigen Veröffentlichung seines Romans Ein Präsident verschwindet stellte sich Autor Ralf Langroth am 10. November 2022 im Deutschen Spionagemuseum den Fragen des Moderators Helmut Müller-Enbergs und dem interessierten Publikum.

Bereits zu Beginn stellte sich heraus, dass der Autor weiß, wovon er schreibt. Im Rahmen der Bundeswehr-Grundausbildung hatte er unter anderem nachrichtendienstliche Erfahrung gesammelt. Details dazu wollte er nicht preisgeben, denn er sei sich nicht sicher „was er davon berichten dürfe“. Im weiteren Berufsweg habe er sich aber nur noch als Schriftsteller mit dem Thema beschäftigt.

Autor Ralf Langroth und Moderator Helmuth Müller-Enbergs

Aufgrund mangelnder beruflicher Perspektiven entschied Langroth sich nach dem Wehrdienst gegen ein Geschichtsstudium. Doch nach dem diesbezüglich aussichtsreicheren Jurastudium wandte er sich der Schriftstellerei zu – eine Bauchentscheidung, die er nie bereut habe. Erste Schritte als Schriftsteller unternahm er bereits während des Studiums als Verfasser von Jerry-Cotton-Romanen.

Das verpasste Geschichtsstudium habe er mittlerweile während der Recherchen für seine Bücher „nachgeholt“. Dabei versuche er stets, sich intensiv die Denk- und Sichtweise der damaligen Zeit hineinzuversetzen.

Ralf Langroth ist allerdings nicht der wahre Name des Autors. Er benutzt dieses Pseudonym speziell für die Spionage-Romanreihe. Wer jetzt auf eine gewichtige Bedeutung des Pseudonyms hoffte, sah sich enttäuscht. Er habe einen simplen Online-Pseudonymgenerator genutzt. Bei diesem musste man lediglich Geschlecht und Geburtsjahrzehnt eingeben. Bereits einer der ersten Namen habe ihm gefallen – schon war Ralf Langroth geboren.

Realer Ausgangspunkt des Spionage-Romans: Der Fall John

Die Geschichte von Langroths Roman fußt auf realen Ereignissen. Das Geschehen dreht sich um das mysteriöse Überlaufen von BfV-Präsident Otto John in die DDR im Jahr 1954. Über Nacht verschwand Verfassungsschutzpräsident Otto John – und tauchte in Ost-Berlin wieder auf. Wurde er, wie er später behauptete, tatsächlich entführt? Auf Wunsch von Konrad Adenauer übernimmt im Roman Philipp Gerber, ehemaliger Agent für den amerikanischen Geheimdienst CIC und nun BKA-Beamter, die Ermittlungen.

Die fiktive Handlung des Romans ist gespickt mit Verweisen auf historische Ereignisse und Persönlichkeiten. Neben Kanzler Adenauer erscheint unter anderem auch Reinhard Gehlen auf der Bildfläche. Der ehemalige Wehrmachts-Offizier baute in jenen Jahren mit amerikanischer Unterstützung den neuen deutschen Auslandsnachrichtendienst auf, aus dem später der Bundesnachrichtendienst BND hervorging.

Die Figuren seien zugunsten der Handlung zum Teil funktionalisiert worden, so Langroth. Doch habe er stets versucht, die Charaktere so nah am Original zu platzieren, dass sie lebendig und nachvollziehbar blieben. Viele Details des Romans seien allerdings rein fiktional. Das betreffe vor allem die zweite Hauptperson des Buches, die linkspolitische Journalistin Eva Herden. Auch der „Peter-Plan“, ein nachrichtendienstliches Geheimprojekt zum Ende des Zweiten Weltkrieg, sei frei erfunden.

Eine historische Persönlichkeit als Sinnbild der damaligen Zeit

Gerade die Ambivalenz der Persönlichkeit Otto Johns hätte ihn an der Geschichte gereizt, so Langroth. In diesem sehe er einen typischen Stellvertreter der damaligen Zeit. John sei ein Sinnbild für die Zerrissenheit der Fünfzigerjahre: Innerlich zerrissen und von der Vergangenheit gezeichnet, eigentlich das Gute und Richtige wollend, aber keinen guten und richtigen Weg dafür findend.

Er selbst glaube, dass John im Grunde ungeeignet war für die Stelle als Verfassungsschutz-Präsident.  Dieser litt unter persönlichen Problemen, sei überfordert gewesen und hätte auf falsche Freunde gehört. Langroth habe das Gefühl, dass John die Folgen seines Handelns damals falsch einschätzte und den Fehler dann auch schnell bereute.

Der besprochene Roman stellt bereits den zweiten Band aus der als Trilogie geplanten Reihe um die Hauptfigur Phillip Gerber dar. Wie die Geschichte im dritten Band, der nächstes Jahr erscheinen soll, ausgehen wird, wollte Langroth noch nicht verraten. Der Autor ließ aber durchblicken, dass er sich durchaus vorstellen könnte, dass die „Trilogie“ keineswegs nur auf drei Bände beschränkt bleiben muss… Ideen für weitere Spezialeinsätze Gerbers gebe es genug.


In der nächsten Veranstaltung des Deutschen Spionagemuseums am 22. November 2022 gibt die Autorin Corinna von Bassewitz Einblicke in die neu veröffentlichten Recherchen zur Geheimidentität ihres Vaters als BND-Agent.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 21.11.2022