Journalisten vs. Geheimhaltung – Kämpfer für verantwortungsbewusste Informationsfreiheit

In der öffentlichen Wahrnehmung sind es vor allem Enthüllungsplattformen wie Wikileaks, die dafür bekannt sind, geheime Regierungsdokumente zu veröffentlichen. Regelmäßig stehen diese in der Kritik, Veröffentlichungen ohne journalistische Aufarbeitung zu betreiben und dadurch in Kauf zu nehmen, Personen und Operationen zu gefährden. Eine Alternative bieten journalistische Plattformen, die sich oft regierungskritisch für Informationsfreiheit einsetzen.

Kritik an gängigen Enthüllungsplattformen

Auch wenn Wikileaks sicherlich die berühmteste Enthüllungsplattform der letzten Jahre darstellt, ist sie beileibe nicht die einzige. Als Pionier gilt die immer noch aktive Plattform Cryptome, die Mitte der 1990er-Jahre als erste Website im Stil einer Enthüllungsplattform online ging. Nachdem zuerst eine Art Partnerschaft mit der 2006 gegründete Website Wikileaks bestand, kam es später zum Streit um die inhaltliche Ausrichtung, der zum Bruch führte. 

Logo der Website Cryptome

Die am häufigsten aufkommende Kritik gegen Wikileaks besteht darin, dass die Plattform die Dokumente anonym, unzureichend kontrolliert oder redigiert und komplett veröffentlicht. Aus diesem Grund kam es wiederholt zur Publikation von Dokumenten, die sich bei genauerer Analyse als Fälschungen erwiesen. Zudem gingen relevante Informationen aufgrund der ungefiltert veröffentlichten gewaltigen Informationsmengen oft unter.

Auch komme es laut den Kritikern durch die mangelnde redaktionelle Kontrolle immer wieder zu Veröffentlichungen, welche die Privatsphäre von Personen verletzen und sogar deren Sicherheit gefährden würden. Auch einige ehemalige Mitarbeiter von Wikileaks wie der Mitbegründer der Plattform, Jimmy Wales, schlossen sich derartiger Kritik an, auch wenn sie das grundsätzliche Anliegen befürworteten, staatliches Fehlverhalten aufzudecken. Es sei aber laut Wales unabdingbar, dies mit journalistischer Integrität zu tun.

Journalistische Netzwerke in den USA und Russland

Dass eine fundierte und gut aufbereitete Veröffentlichung von geheimen Regierungsdokumenten möglich ist, beweisen Websites von journalistischen Netzwerken. Als Vorbild gilt das Project on Government Secrecy der Federation of American Scientists (FAS). Das Ziel ist es, die Öffentlichkeit über die Geheimhaltungs- und Öffentlichkeitspolitik der US-Regierung zu informieren. Das Projekt erlangte 1997 große Aufmerksamkeit, als es gelang, vor Gericht die Freigabe von Informationen über das Budget der US-Geheimdienste zu erzwingen.

Logo der Website The Intercept

Die Website The Intercept wurde unter anderem von dem Journalisten Glenn Greenwald gegründet, der 2003 als erster NSA-Geheimdokumente veröffentlichte, die ihm Edward Snowden übergeben hatte. Ein Hauptfokus der Website liegt auf der weiteren redaktionellen Aufbereitung des Snowden-Materials. Die Berichterstattung umfasst aber auch weitere Themenfelder mit dem erklärten Ziel, Pressefreiheit zu verteidigen und Transparenz zu schaffen. Das US-Verteidigungsministerium hat Militärangehörige aufgefordert, die Website nicht zu besuchen, für Computer des US-Militär ist sie gesperrt.

Nach dem Vorbild des Project on Government Secrecy existiert seit 2000 in Russland die Website Agentura.Ru. Die von dem Journalisten Andrei Soldatow mitgegründete Website hat zum Ziel, Regierungsdokumente von öffentlichem Interesse sowie Informationen über Geheimdienstmethoden zu publizieren. Themenschwerpunkte bilden unter anderem der Einfluss der russischen Geheimdienste auf Politik und Wirtschaft sowie Beschränkungen der Pressefreiheit und Internetzensur in Russland.

Investigativ-Journalist im Deutschen Spionagemuseum

Durch seine langjährige Beschäftigung mit der Arbeit der russischen Geheimdienste gilt Soldatow international als renommierter Sicherheitsexperte. Die Ergebnisse seiner Arbeit hat er nicht nur auf Agentura.Ru veröffentlicht, sondern auch in seinem Buch The New Nobility zu Papier gebracht, welches sich vor allem mit dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB auseinandersetzt. Nach Soldatows Schilderung hat dieser Geheimdienst in den vergangenen Jahren einen starken Einfluss auf fast alle relevanten Bereiche im russischen Staat aufgebaut.

Am 11. November 2021 wird Soldatow bei einer Podiumsdiskussion zur Welt der Geheimdienste im Deutschen Spionagemuseum Einblicke in seine Arbeit und die Ergebnisse seiner Recherchen geben. Eine seltene Möglichkeit, einen der besten Kenner der russischen Geheimdienst-Szene live in Berlin zu erleben.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 27.10.2021