Nach GRU-Einsatz – Russische Spionageaffäre in Tschechien

Neue Enthüllungen decken schwerwiegende Aktivitäten russischer Geheimdienste in Tschechien auf. Die Regierung in Prag reagiert scharf. Durch die Spionageaffäre sind die diplomatischen Beziehungen beider Länder auf einem historischen Tiefpunkt angelangt.

Starke Hinweise auf GRU-Aktivitäten

2014 ereigneten sich schwere Explosionen in dem tschechischen Munitionsdepot Vrbětice. Neben erheblichem Sachschaden kamen dabei zwei Menschen ums Leben. Untersuchungen tschechischer Sicherheitskräfte kamen zu dem Schluss, dass der Angriff mit hoher Wahrscheinlichkeit von Agenten des russischen Geheimdienstes GRU ausgeführt wurde. Maßgeblich beteiligt war demnach die GRU-Spezialeinheit 29155.

GRU-Hauptquartier in Moskau [Гагыдза, CC BY-SA 3.0]

Gemeinsame Recherchen der Investigativplattformen Bellingcat, The Insider und des SPIEGEL haben aufgedeckt, welche Personen konkret an der Aktion beteiligt waren. Mit Bewegungs- und Kommunikationsdaten ließen sich sechs GRU-Agenten als Attentäter identifizieren. Die vermutlich beteiligten GRU-Agenten waren keine Unbekannten: Drei von Ihnen sollen 2018 in England den Giftanschlag auf Sergej Skripal verübt haben.

Russische Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen

Als Reaktion auf die Enthüllungen hat Tschechien in der vergangenen Woche 18 russische Botschaftsmitarbeiter des Landes verwiesen. Eine Reise des tschechischen Handelsministers nach Moskau wurde kurzfristig abgesagt. Außerdem schloss man ein russisches Unternehmen aus dem milliardenschweren Vergabeverfahren zur Modernisierung des tschechischen Atomkraftwerks Dukovany aus.

Laut Informationen der Plattform The Insider soll es sich bei den ausgewiesenen Diplomaten um verdeckte russische Geheimdienst-Mitarbeiter handeln. Prag stelle demzufolge nach der Spionagehauptstadt Berlin eine der wichtigsten Operationsbasen für russische Geheimdienste in Europa dar. Russland wies alle Anschuldigungen als haltlos sowie von amerikanischer Seite motiviert zurück und reagierte mit der Ausweisung von 20 tschechischen Diplomaten.

Vladimir Putin bei der Feier zum 100-jährigen Bestehen der GRU [Kremlin.ru, CC BY-3.0]

Tschechiens Nachbarländer unterstützen die Regierung in Prag. Gleichzeitig beklagen sie, dass die EU schon seit längerem keine wirksame Reaktion gegen die Aktivitäten russischer Geheimdienste auf ihrem Gebiet zeige. Russland befindet sich derzeit auch im Streit mit Bulgarien, das im März ein russisches Agentennetz aufgedeckt hatte und in der Folge zwei russische Diplomaten des Landes verwies. Die Hintergründe um russische Geheimdienstaktionen in Europa sind damit höchstwahrscheinlich noch lange nicht endgültig aufgeklärt.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 21.04.2021