Rückblick: OSA – der Geheimdienst von Scientology

Nicht nur Staaten haben Geheimdienste, um Informationen für ihre Zwecke zu gewinnen und auszunutzen. Oder eben um handfeste Aktionen durchzuführen, Kritiker oder Feinde jeder Art auszuschalten.

Der Vatikan etwa bestreitet seit Jahrhunderten hartnäckig, solche Strukturen zu unterhalten. Und doch unterhält er eines der größten Informationsnetzwerke der Welt. Und klandestine Aktionen gegen Kritiker waren ihm im Laufe der Geschichte beileibe nicht fremd.

Exisitiert das Office of Special Affairs?

Private Geheimdienste sind also Realität. Die amerikanische Scientology-Organisation, die seit Jahrzehnten auch in Deutschland und Europa um die Anerkennung als religiöse Glaubensgemeinschaft kämpft (was ganz nebenbei auch Steuervorteile mit sich bringen würde), unterhält ebenfalls einen Geheimdienst: das „Office of Special Affairs“, kurz: OSA.

Scientology bestreitet das hartnäckig, doch Markus Thöß, Macher der ARD-Dokumentation „Die Spitzel von Scientology – Der Sektengeheimdienst OSA“ ist sich ganz sicher. Über ein Jahr lang recherchierte er im Scientology-Milieu in den USA und Europa. Seine Ergebnisse präsentierte er am 28. Juni 2018 im Deutschen Spionagemuseum.

Gemeinsam mit Wilfried Handel, ehemaliger Chef von Scientology in Wien, Georg Spielberg vom Landesamt für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg und Victoria Britton, die Scientology die Schuld am Tod ihres Sohnes gibt, beleuchtete Thöß die Rolle von Scientology und ihrem Geheimdienst OSA.

OSA-Vorläufer unterwanderte Regierungsstellen

In den USA gerieten Spionageaktivitäten von Scientology in den 1970er-Jahren in die Schlagzeilen, als die OSA-Vorläuferorganisation jahrelang Regierungsstellen unterwanderte und auch vor Einbruch und Diebstahl nicht zurückschreckte, um an Informationen über ihre Gegner zu kommen.

An diesen Methoden hat sich, da waren sich die Experten auf dem Podium einig, seit damals nichts verändert. Informationen sammeln, Kritiker unter Druck setzen, politischen und gesellschaftlichen Einfluss ausüben, öffentliche Informationskampagnen im eigenen Sinne durchführen – das seien die Hauptaufgaben von OSA heute.

Verfassungsschutz beobachtet Scientology

Nicht nur der deutsche Verfassungsschutz stuft Scientology als extremistische Organisation ein, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland untergräbt. Unter Beobachtung steht Scientology daher seit Jahrzehnten. OSA setzt Anwälte und Privatdetektive ein, um dagegen vorzugehen.

Über scheinbar harmlose und gemeinnützig erscheinende Kampagnen wie „Sag Nein zu Drogen“ versuche Scientology, Kontakte aufzubauen – und sammele bereits im Vorfeld so viele Informationen wie ein Nachrichtendienst. In Baden-Württemberg und Bayern, so Georg Spielberg, sei die Organisation besonders aktiv. Im Vergleich zu vorherigen Jahrzehnten jedoch seien die allgemeinen Mitgliederzahlen rückläufig, die Scientology-Ideologie habe an Attraktivität verloren.

Rufmordkampagnen gegen Kritiker

Wie Scientology auf öffentliche Kritik reagiert und wie sich ihr extremistisches Weltbild darin offenbare, schilderten Wilfried Handel und Victoria Britton aus erster Hand. Private Rufmordkampagnen würden gestartet. Zu den eingestetzten Mitteln gehören Sex-Videos oder Gerüchte über Drogenprobleme sowie den gesundheitlichen und geistig-seelischen Zustand. Auch werden öffentliche Auftritte durch „Gegen-Demonstrationen“ gestört. Davon war gestern jedoch nichts zu spüren.

Eine Aktion des Hacker-Kollektivs Anonymus, das 2014 in Österreich Scientology-Computer hackte und die gefundenen Informationen ins Netz stellte, machte deutlich, wie pedantisch solche Kampagnen geplant werden. Im Fall von Victoria Britton habe ihr Ex-Mann und Scientologe nach dem vermeintlichen Selbstmord des gemeinsamen Sohnes zuerst seine OSA-Kontaktleute an den Tatort gerufen. Dort seien so viele Beweismaterialien und Spuren vernichtet worden, dass eine Rekonstruktion des Tathergangs unmöglich wurde.

Alle Ermittlungen seien fernerhin von Scientology-Anwälten und Detektiven sabotiert worden. Eine private Tragödie, bei der vollkommen unklar ist, ob es sich um einen Einzelfall handelt.

Es war ein durch und durch spannender Abend im Deutschen Spionagemuseum. Viele Einzelheiten konnten nur angerissen werden, vieles liegt im Dunkeln. Die Dokumentation „Die Spitzel von Scientology – Der Sektengeheimdienst OSA“ von Markus Thöß ist derzeit in der ARD-Mediathek verfügbar.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 03.07.2018