Vor 76 Jahren: Briten entern U 110 und erbeuten eine Enigma

Heute vor genau 76 Jahren gelang dem britischen Militär mit einer filmreifen Aktion der erste erfolgreiche Einbruch in die Marine-Enigma. Während polnische und britische Chiffrier-Experten schon länger erfolgreich die Verschlüsselung der Heeres-Enigma (Enigma I) überwunden hatten, blieb die Kommunikation der deutschen Kriegsmarine, die mit einem speziellen Codierungsverfahren, dem sogenannten „Schlüssel M“, arbeitete, bis 1941 rätselhaft.

Codeknacker verzweifelten lange an Marine-Enigma

Die hier ab 1940 im Einsatz befindliche Enigma M3 verwendete ein abgewandeltes Verfahren als die Heeres-Enigma: Statt drei Walzen aus einem Satz von fünf bzw. sechs Walzen auszuwählen, hatte die Marine insgesamt acht Stück zur Verfügung. Zusätzlich variierten die Deutschen weitere Verschlüsselungstechniken und stellten ihre Gegner so vor eine zunächst unlösbare Aufgabe.

Aus der Ferne konnten die britischen Experten das Verfahren nicht durchschauen. Erst der direkte Kontakt mit dem Feind lieferte das entscheidende Puzzleteil. Am 9. Mai 1941 enterte die Besatzung des Zerstörers HMS Bulldog der Royal Navy zusammen mit anderen Einheiten das deutsche U-Boot U 110, dass aufgrund von Wasserbomben beschädigt und manovrierunfähig war. Bei diesem Einsatz wurden eine vollständige Enigma M3 sowie die dazu passenden Geheimunterlagen erbeutet.

Auf deutscher Seite ging man davon aus, dass U 110 versenkt und die brisanten Informationen zerstört worden waren. Deshalb verwendete man die bestehenden Verfahren weiter. Ohne Änderungen am Chiffrierverfahren hatten die Briten so die Chance, für etwa ein Jahr die verschlüsselte Kommunikation der deutschen Marine mitzulesen. Erst die unerwartete Einführung der Enigma M4 am 2. Februar 1942 ließ den Informationsfluss abbrechen.

Dieses neue Rätsel konnte erst neun Monate später geknackt werden – doch dazu mehr in einem späteren Blog-Beitrag.


Fotos:
Royal Navy official photographer
Bundesarchiv, Bild 101II-MW-4222-02A / Dietrich / CC-BY-SA 3.0

Autor: Christoph Ewering

Veröffentlicht am: 09.05.2017