Geknackt! Die Entschlüsselung der Enigma

Die Geschichte der Entschlüsselung der deutschen Chiffriermaschine Enigma beginnt in Polen und wurde in Bletchley Park fortgeführt – bis zum großen Durchbruch, der den Alliierten im Zweiten Weltkrieg eine entscheidenden taktischen Vorteil lieferte. Geknackt wurde der Code der Enigma durch internationale Zusammenarbeit. Entwickelt wurde die Maschine hingegen von einem Einzelnen: dem deutschen Unternehmer und Ingenieur Arthur Scherbius (1878–1929).  

Vermeintlich unknackbare Chiffriertechnik

Scherbius entwickelte die Idee einer Rotor-Chiffriermaschine bereits während und nach dem Ersten Weltkrieg. Im Jahr 1923 stellte er die Enigma nach einigen Jahren Entwicklung erstmals öffentlich vor. Der Begriff „Enigma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Rätsel“. Wer den Namen prägte, ist nicht bekannt – doch er beschreibt passend das Ziel, eine Maschine zu schaffen, mit der Nachrichten nur für den Empfänger lesbar sind. Heute würde man sagen: Datenschutz auf höchstem Niveau.

Diese frühe Enigma sah von außen aus wie eine merkwürdige Schreibmaschine und wurde auch so bedient. Ihre scheinbar unknackbare Verschlüsselung beruhte auf einer Kombination mechanischer und elektrischer Prozesse, insbesondere durch mehrere rotierende Walzen, auf denen jeweils die 26 Buchstaben des Alphabets verteilt waren.

Enigmamaschine 1923
Frühe Engima-Version: die Handelsmaschine (geöffneter Zustand), 1923 (Quelle: Gemeinfrei, via Wikimedia Commons)

Die Walzen waren so verkabelt, dass sie sich mit jedem Tastendruck weiter drehten. Dadurch ergab sich immer wieder eine neue Verschlüsselung, wodurch jeder Buchstabe auf unterschiedliche Weise chiffriert wurde. Vor jedem Einsatz wurden die Walzen neu eingestellt. Dadurch ergab sich eine astronomisch hohe Zahl möglicher Schlüssel – die Enigma, von der im Laufe der Jahre mehrere Versionen entwickelt wurden, galt deshalb in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren als praktisch unknackbar.  

Enigma wir zur Geheimsache Einsatz beim deutschen Militär

Nachdem das Militär die Enigma zunächst abgelehnt hatte, übernahm die deutsche Kriegsmarine sie ab 1926 zur Verschlüsselung von Funksprüchen. Ab den frühen 1930er-Jahren setzte auch die Wehrmacht die Enigma ein. Scherbius selbst erlebte den Erfolg seiner Erfindung nicht mehr: Er starb 1929 bei einem Verkehrsunfall mit seinem Pferdewagen.

Durch den zunehmenden militärischen Einsatz der Enigma rückte sie ins Visier ausländischer Geheimdienste. 1931 übergab der bei der Chiffrierstelle des Reichswehrministeriums angestellte Hans-Thilo Schmidt geheime Unterlagen zur Enigma an den französischen Geheimdienst, darunter eine Gebrauchsanweisung und Schlüsselmaterial. Die Franzosen leiteten die Informationen an britische und polnische Dienste weiter.  

Polnische Pionierarbeit und Wissenstransfer

In Polen arbeiteten seit den 1920er-Jahren Mathematiker und Kryptologen im Biuro Szyfrów (dt.: Chiffrenbüro). Die wichtigsten unter ihnen waren Marian Rejewski, Jerzy Różycki und Henryk Zygalski. Bereits 1932 gelang Rejewski durch mathematische Analyse ein erster Durchbruch: Er rekonstruierte die innere Logik der Enigma.  

1934 entwickelten die Polen das sogenannte Zyklometer, ein Gerät zur systematischen Bestimmung von Enigma-Schlüsseln. Ab 1936 wechselte die Wehrmacht täglich die Schlüssel – das Zyklometer wurde dadurch zunehmend unpraktisch.

Polnische Codeknacker
Wegweisende polnische Codeknacker (v.l.n.r.): Marian Rejewski, Jerzy Różycki und Henryk Zygalski (Quelle: gemeinfrei, via Wikimedia Commons)

Ein wichtiger Durchbruch gelang 1938 mit der Entwicklung der Bomba kryptologiczna, einer elektromechanischen Entschlüsselungsmaschine zur systematischen Prüfung möglicher Schlüssel. Zusätzlich nutzten die Codeknacker die Zygalski-Lochblätter – Papierbögen mit Aussparungen, die bestimmte Eigenschaften des Codes sichtbar machten, wenn man sie überlagerte.  

Die polnischen Kryptologen erzielten große methodische Fortschritte, aber nicht über ausreichende Ressourcen. Im Juli 1939, kurz vor Kriegsbeginn, trafen sich Vertreter Polens, Großbritanniens und Frankreichs bei Pyry südlich von Warschau, um das Wissen zu teilen. Die übergebenen Maschinen und Verfahren bildeten eine wichtige Grundlage für die spätere Arbeit in Bletchley Park.  

Bletchley Park: Die britische Bombe

Trotz dieser Vorarbeit blieb die Entzifferung schwierig. Die Deutschen verschärften ab 1939 die Sicherheit der Enigma, u.a. durch den Einsatz zusätzlicher Walzen. Im Rahmen eines hochgeheimen Projekts unter dem Decknamen “Ultra” arbeitete der britische Geheimdienst Government Code and Cypher School im Bletchley Park nahe London daran, die Enigma und andere deutsche Chiffrierverfahren zu knacken. Die britischen Kryptologen, unter ihnen Alan Turing und Gordon Welchman, entwickelten dafür die britische „Bombe“ – eine Entschlüsselungsmaschine, die auf den polnischen Ideen basierte, aber deutlich leistungsfähiger war. Aufgrund ihrer Konstrukteure wird sie häufig als „Turing-Bombe“ oder „Turing-Welchmann-Bombe“ bezeichnet.

Alan Turing
Alan Turing (Quelle: Public Domain)

Die Bombe konnte zwar keine Nachrichten direkt entschlüsseln, aber sie reduzierte die Zahl möglicher Schlüssel drastisch. In Kombination mit menschlichen Fehlern auf deutscher Seite, etwa standardisierten Phrasen wie „Heil Hitler“ oder festen Formulierungen in Wetterberichten, war es möglich, die Enigma systematisch zu brechen.

Turing und Welchmann waren die Masterminds bei der Entwicklung der Dechiffriertechnik, doch viele andere Personen waren an der erfolgreichen Operation beteiligt. Frauen spielten in Bletchley Park eine bedeutende Rolle, darunter Margaret Rock und Mavis Lever. Ebenso trug der britische Kryptologe Dilly Knox zur Enigma-Analyse bei.

US-Version der Bombe
US-Version der „Bombe“ (Quelle: J Brew, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons)

Die deutschen Stellen vermuteten keinen Bruch ihrer Kommunikation. Nur ein Spion, der in Bletchley Park aktiv war, ist historisch belegt – und er arbeitete für die Sowjetunion.  

Sieg im Atlantik und am D-Day

Anfang 1940 gelang den Alliierten erstmals die Entzifferung einer Wehrmachtsmeldung im Klartext. Zunächst war die Verarbeitung noch langsam: Die Analyse eines Funkspruchs konnte Tage dauern – zu spät, um Operationen zu beeinflussen. Doch durch Verbesserungen an der Bombe und durch massive Rechenkapazität verkürzte sich die Entzifferungszeit deutlich. Schließlich war man in der Lage, wichtige deutsche Funksprüche nahezu in Echtzeit zu lesen und auszuwerten.  

Alliierte Schiffe, insbesondere Geleitzüge im Atlantik, konnten nun vor U-Boot-Angriffen gewarnt werden. Auch während des D-Day am 6. Juni 1944 profitierte man von den dechiffrierten Enigma-Informationen: Die Alliierten konnten Truppenbewegungen und Befehle der Wehrmacht mitverfolgen und so ihre Landungsoperationen gezielt absichern.  

Der Krieg verkürzt – das Geheimnis bewahrt

Die Entzifferung der Enigma gilt als einer der entscheidenden nachrichtendienstlichen Erfolge des Zweiten Weltkriegs. Sie ermöglichte es den Alliierten, strategisch zu reagieren, Angriffe zu vermeiden und Täuschungsoperationen durchzuführen. Wäre die Entschlüsselung nicht gelungen – oder erst Jahre später –, hätte sich der Krieg vermutlich deutlich verlängert. Historiker schätzen, dass Ultra den Krieg um ein Jahr oder mehr verkürzt haben könnte. 

Lange Zeit jedoch blieben die Erfolge bei der Entschlüsselung der Enigma streng geheim, da die verwendeten Verfahren noch Jahrzehnte lang für andere Verschlüsselungssysteme von Bedeutung waren. Erst ab den 1970er-Jahren erfuhr die Öffentlichkeit von den Leistungen der Codeknacker.

Wer hat Enigma entschlüsselt?

Die Entschlüsselung gelang in einem internationalen Team: Zunächst den polnischen Mathematikern Marian Rejewski, Jerzy Różycki und Henryk Zygalski, später vor allem den britischen Kryptologen in Bletchley Park, darunter Alan Turing und Gordon Welchman.

Wie wurde die Enigma entschlüsselt?

Durch mathematische Analysen, technische Hilfsmittel wie das Zyklometer und die „Bomba“ der Polen sowie die britische Weiterentwicklung, die „Bombe“. Entscheidend waren zudem deutsche Bedienungsfehler und wiederkehrende Phrasen wie „Heil Hitler“.

Wann wurde die Enigma entschlüsselt?

Erste wesentliche Fortschritte erzielten die Polen bereits 1932, den Alliierten gelang 1940 die erste vollständige Entzifferung von Wehrmachtsmeldungen. Ab 1941–1944 wurde die Entschlüsselung im großen Stil einsatzfähig und kriegsentscheidend.