Die Meldungen über Propaganda-Aktionen, hinter denen laut Sicherheitsexperten Moskau steckt, häufen sich. Eine Publikation beleuchtet das Ausmaß und die Hintergründe dieses Informationskriegs gegen Deutschland. Am 30. Oktober 2025 gaben die Autoren im Deutschen Spionagemuseum Einblicke in ihre Recherchen.
Bereits 2024 erschien die Publikation Putins Angriff auf Deutschland – Desinformation, Propaganda, Cyberattacken, doch das Thema hat nichts an Brisanz verloren. Detailliert werden hier der russische Informationskrieg gegen den Westen und das komplexe Zusammenspiel von Geheimdiensten und diversen Medienkanälen beschrieben.
Die Autoren, der ehemalige Diplomat und Vizepräsident des BND Arndt Freytag von Loringhoven und der Philosoph und Propaganda-Experte Leon Erlenhorst, stellten sich im Deutschen Spionagemuseum den Fragen von Moderator Helmut Müller-Enbergs.

Von Loringhoven geht davon aus, dass die Motivation für die russischen Kampagnen ihren Ursprung in Putins Ziel habe, Russlands Großmachtstellung wiederherzustellen. Als größten Gegner dieses Ziels habe Putin den Westen ausgemacht. Die Strategie sei es, den Westen zu schwächen und letztlich zu zerstören.
Ein starker Fokus der Aktionen läge dabei auf Deutschland, so die Autoren. Einerseits, weil es ein politisches und wirtschaftliches Schwergewicht des europäischen Westens darstelle, und andererseits, weil es „leichte Beute“ sei, da es einen guten Nährboden für Propaganda und Desinformation gäbe.
Laut Erlenhorst sei die lange Zeit gängige, klare Einteilung in Frieden oder Krieg passé. Man befindet sich in einem Zwischenstadium, dem hybriden Krieg. Das Arsenal der hybriden Kriegsführung sei gewaltig, derzeit höre und lese man vor allem von Wegwerfagenten, Drohnenüberflügen und Sabotageschiffen in der Ostsee, allesamt kinetische Aktionen. Die Publikation fokussiere sich auf einen weiteren wichtigen Aspekt der hybriden Kriegsführung, den informativen Krieg. Dieser sei jedoch eng verzahnt mit kinetischen und politischen Aktionen.
Dieser Informationskrieg hätte bereits vor dem Ukraine-Konflikt begonnen, spätestens mit den Übergriffen der Kölner Silvesternacht 2015. Danach hätte man eine massive Welle an russischer Propaganda und Desinformation feststellen können mit dem Narrativ, Migranten negativ darzustellen und die Aggression und Debatte zusätzlich anzufeuern.
Das Ziel sei es von Loringhoven zufolge, die Spaltung der deutschen Gesellschaft voranzutreiben. Dort, wo sich gesellschaftliche Bruchlinien befunden hätten, würden diese bewusst verstärkt, indem man „informationstechnische Brandbeschleuniger“ zu einer Vielzahl von kontroversen Themen einsetze.
Die Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass die Direktive aus dem Kreml kommt; die Ausgestaltung der Aktionen ist einem Netzwerk aus Unternehmen und Sicherheitsdiensten überlassen. Diese würden wie professionelle Kampagnenagenturen agieren. Hier zeige sich: das neue Schlachtfeld befindet sich in den Köpfen der Menschen.

Ein prägnantes Beispiel sei die Kampagne gegen Richterin Brosius-Gersdorf, die nach Protesten aus CDU/CSU und AfD ihre Bewerbung zum Bundesverfassungsgericht zurückzog. Bei der massiven Kampagne aus negativen Artikeln und Meinungsmache hätten sich Verbindungen zum Prawda-Netzwerk nachweisen lassen. Dieses füttert verschiedene KI mit kremlnahen Informationen, die dann automatisiert über Chatbots gestreut werden.
Generell würden sich die Techniken unheimlich schnell weiterentwickeln, so Erlenhorst. Selbst auf den ersten Blick unverdächtige System wie ChatGPT ließen sich manipulieren, um einseitige Ergebnisse auszuspucken. Selbst für Fachleute seien viele dieser Manipulationen kaum erkennbar.
Die Publikation erschöpft sich nicht nur in der Darstellung der Aktionen, sondern beinhaltet auch eine konkrete Vorschlagsliste, wie man Russland die Arbeit erschweren könnte. Dazu müsse man auf mehreren Ebenen „angreifen“: In Schweden wurde dazu kürzlich eine Psychological Defence Agency gegründet, die dazu dient, derartige Kampagnen zu beobachten, Reaktionen abzuwägen und faktische Gegennarrative zu entwickeln. Auch in der Bildungsarbeit müsse die Medienkompetenz verstärkt werden. Zudem wären kinetische Gegenaktionen von Sicherheitsdiensten wie das Lahmlegen von Servern eine Möglichkeit, zu reagieren und die Akteure abzuschrecken.
Laut von Loringhoven sei es unerlässlich, bei den Gegeninitiativen statt mit reinen nüchternen Fakten auch mit Humor zu arbeiten. Bestimmte Gruppen, oft gerade jene, die besonders empfänglich für Propaganda-Aktionen sind, seien sonst nicht zu erreichen. Hier könnte eine emotionale anstatt einer rein fakten-basierten Ansprache der Schlüssel sein, die Wirkung solcher Kampagnen zu hemmen.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 06.11.2025