Das Thema Verfassungsfeindlichkeit beschäftigt die deutsche Justiz und die Sicherheitsbehörden. Doch gibt es eine klare Definition, ab wann jemand als Verfassungsfeind gilt? Und mit welchen Instrumentarien kann man diesen wirkungsvoll begegnen? Den aktuellen Stand der Debatte diskutierten Experten im Deutschen Spionagemuseum.
Als Experten fanden sich am 24. Juni 2025 der CDU-Politiker und Jurist Stephan Lenz, der Politologe Uwe Backes sowie als Moderator der Politologe Helmut Müller-Enbergs auf dem Podium des Deutschen Spionagemuseums ein. Lenz agierte in seiner Laufbahn unter anderem als Vorsitzender des 1. Untersuchungsausschusses „Terroranschlag am Breitscheidplatz“ und als Mitglied der G 10-Kommission. Backes forscht vor allem in den Bereichen Demokratietheorie, Ideologiegeschichte und Extremismus.
Die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) ist das Fundament der deutschen Verfassung. Sie basiert auf dem Prinzip der Menschenwürde, der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Gewaltenteilung. Der Schutz der FDGO ist eine zentrale Aufgabe des Staates und seiner Institutionen, wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
Bei der grundsätzlichen Definition, was einen Verfassungsfeind ausmacht, waren sich die Experten einig: Es handele sich um Personen, die planvoll und zielgerichtet gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung vorgehen. Backes stellte klar, dass dazu keine reine Meinungsäußerung genüge, sondern eine konkrete Handlung, die auf Beeinträchtigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ziele.
Lenz ergänzte, dass die Kernfrage sei, ab wann „rote Linien” überschritten seien, die Sicherheitsbehörden auf den Plan rufen. Solange man mit seinen Gedanken gegen die Grundordnung im stillen Kämmerlein oder am Stammtisch bleibe, könne man in einer freiheitlichen Demokratie machen, was man wolle. Dies gelte allerdings nicht für Angehörige des öffentlichen Dienstes, die bei ihrer Einstellung einen Eid auf die Verfassung ablegen und somit zur Verfassungstreue verpflichtet seien.
Dabei ist laut Enbergs zu bedenken, dass sich das Verständnis über Extremismus in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gewandelt hat. Während der Fokus der Sicherheitsbehörden zu Anfang der Bundesrepublik vor allem auf dem Kommunismus lag, liege er heutzutage eher auf den Extremisten im rechten politischen Sektor.
Backes bestätigte, dass sich Gesellschaft und politische Kultur ständig ändern. Dies sei zum Beispiel im Hinblick auf die Sensibilität zu bestimmten diskriminierenden Äußerungen zu beobachten, die vor einigen Jahren noch als unbedenklich eingestuft worden wären, heute aber oft sehr kritisch gesehen würden.
Auch wenn es Befugnisse von Justiz und Gerichten zum Schutz der demokratischen Grundordnung gäbe, so sieht Enbergs vor allem Politik und Gesellschaft in der Verantwortung, Extremismus präventiv den Nährboden zu entziehen. Dem pflichtete Backes bei: Statt repressiver Instrumente sei die Königsdisziplin das Demokratieschutzes die geistig-politische Auseinandersetzung. Diese werde aber derzeit zu wenig und nicht differenziert genug geführt.
Lenz ergänzte dazu, dass man sich seiner Meinung nach Gedanken zu einer Nachjustierung der FDGO machen sollte. Die letzte Rechtsprechung dazu stamme aus dem Jahr 2017 und sei in Teilen nicht mehr an aktuellen Entwicklungen ausgerichtet. 2017 ging es vor allem um ein mögliches Verbot der NPD, gegenwärtig sei es aber die AfD, mit der man sich beschäftigen müsse. Ob die Partei verfassungsfeindlich sei, ist noch nicht entschieden. Das entsprechende Gutachten des BfV ist unveröffentlicht und ist daher für Politiker noch nicht Verhandlungsgegenstand.
Ein spannendes Thema, das aufgrund der aktuellen Entwicklungen sicher nicht zum letzten Mal im Deutschen Spionagemuseum diskutiert wurde.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 11.07.2025