Spionageballons: Spionagemethode mit langer Vergangenheit – und großer Zukunft?

Nach der Entdeckung und dem Abschuss eines vermeintlich chinesischen Spionageballons durch die USA ist das öffentliche Interesse gewaltig. Wir zeigen, welche Rolle Ballons in der Spionagegeschichte spielten und weshalb sie auch im 21. Jahrhundert noch relevant sein können.

Neue Möglichkeiten der Luftaufklärung ab dem 18. Jahrhundert

Wie so oft in der Spionagegeschichte kommen neue Techniken sehr schnell zum Einsatz. Ebenso wie die Fotografie sich schnell als wertvolle Spionagemethode etablierte, war dies auch bei der Ballonfahrt der Fall. Die ersten erfolgreichen bemannten Ballonflüge fanden 1783 statt und schon elf Jahre später etablierten sich Ballons als neue Methode der Funkaufklärung. Im Ersten Koalitionskrieg (1792-1797) nutzte das französische Militär 1794 sowohl bei der Belagerung von Maubeuge wie auch vor der Schlacht von Fleurus Ballons, um den Gegner auszuspionieren.

Einer der ersten Einsätze eines Spionageballons in der Schlacht bei Fleurus am 26. Juni 1794. Der Ballon ist in der rechten oberen Bildecke zu erkennen.

Im 19. Jahrhundert und auch im 1. Weltkrieg gehörten Ballons dann zu den standardmäßig angewendeten Spionagemethoden. Sie kamen unter anderem im Sardinischen Krieg (1859) als auch im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) zum Einsatz. Damit die Erkenntnisse schnellstmöglich an die Kommandostände weitergegeben werden konnten, verfügten die Ballons im 1. Weltkrieg (1914-1918) über Fernsprecheinrichtungen.

Hochzeit der Ballonspionage im Kalten Krieg

Von den 1940er- bis in die 1960er-Jahre erweiterten neue technische Entwicklungen die Einsatzmöglichkeiten von Spionageballons. Insbesondere die amerikanischen Geheimdienste und Militärs schickten Tausende von Ballons in den Himmel. Die Vielzahl der Geheimprojekte können wir an dieser Stelle nicht wiedergeben, daher nur eine repräsentative Auswahl zur Verdeutlichung der verschiedenen Einsatzmöglichkeiten.

In den 1940er-Jahren startete das Projekt Mogul der US Air Force. Hier waren die Ballons mit speziellen Mikrofonen ausgestattet, deren Aufgabe es war, bestimmte Schallwellen aufzufangen, die auf sowjetische Atomraketentestes schließen ließen. Während des Projekts Genetrix kamen in den 1950er-Jahren über 500 Ballons vor allem mit optischer Spionagetechnik zum Einsatz. Diese Ballons flogen in extremer Höhe und waren dadurch von Kampfjets nicht zu erreichen.

Start eines US-Ballons des Projektes Genetrix im Jahr 1956

Wenig erfolgreich war dagegen das Projekt Flying Cloud. Für den geplanten Transport von Massenvernichtungswaffen in gegnerische Gebiete erwiesen sich Ballons als nicht ausreichend steuerbar. Aufgrund der massiven Nutzung von Spionageballons in jener Zeit gehen viele Experten davon aus, dass auch die damalige Häufung von vermeintlichen UFO-Sichtungen zum Teil auf solche Ballons zurückgeht.

Abseits von der Ballonspionage erinnert der aktuelle Fall an eine andere Spionageepisode aus dem Kalten Krieg: Nachdem die Sowjetunion 1960 ein amerikanisches U-2-Spionageflugzeug abgeschossen hatte, lautete die erste offizielle Erklärung der NASA, es handele sich um einen Flug zur Wetterbeobachtung. Dieselbe Argumentation verfolgt nun die chinesische Regierung.

Als aber Wrackteile der U-2 und der überlebende Pilot der Weltöffentlichkeit präsentiert wurden, mussten die USA die Spionage eingestehen. Kreml-Chef Chruschtschow sagte daraufhin eine geplante Pariser Gipfelkonferenz der alliierten Siegermächte ab. In ähnlicher Weise wurde nun eine China-Reise des US-Außenministers verschoben – allerdings ohne, dass die Spionage bewiesen ist.

Spionageballons in der Gegenwart

Grundsätzlich haben Spionageflugzeuge und Satellitentechnik mittlerweile viele der Aufgaben von Spionageballons übernommen. Auch wenn gegenwärtig noch nicht abschließend geklärt ist, ob es sich bei dem nun über den USA gesichteten Exemplar tatsächlich um einen Spionageballon handelt, gibt es gewisse Vorteile der Ballontechnik, die eine Nutzung auch heute noch sinnvoll machen.

Im Vergleich zur Satellitentechnik sind Spionageballons deutlich preisgünstiger und leichter herzustellen. Auch die Logistik, etwa der Start der Ballons, sind viel einfacher zu bewerkstelligen als bei Satelliten, die spezielle Startrampen und Trägerraketen benötigen.

Auch können Ballons aufgrund ihrer langsameren Geschwindigkeit, einer bedingten Manövrierbarkeit und der räumlichen Nähe zum ausspionierten Objekt mehr Detailinformationen über bestimmte Regionen sammeln. Satelliten dagegen sind an die Erdumlaufbahn gebunden und können nur kurze Momentaufnahmen bestimmter Gebiete erstellen.

Vermeintlicher Spionageballon über den USA 2023
[Chase Doak, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons]

Gerade wenn es um das Abhören von Funkfrequenzen unter 30 MHz geht, wie sie oft von Militär und Behörden genutzt werden, eignet sich ein Ballon besser. Auch wenn der jetzige Ballon gut sichtbar war: Generell sind diese Fluggeräte radartechnisch schwierig zu erfassen. Oft fliegen sie zudem in extremen Höhen, sodass sie vom Boden aus kaum bemerkt werden. Dass dies möglich ist, zeigt sich auch daran, dass nun bekannt wurde, dass mehrere derartiger Ballons in der Zeit der US-Präsidenten Biden und Trump gesichtet worden waren, ohne dass die Öffentlichkeit dies mitbekam.

Das alles bedeutet allerdings nicht, dass nun Satelliten obsolet sind und Ballons die besseren Spione wären. Grundsätzlich ist es so, dass es nicht das perfekte Allround-Spionagewerkzeug gibt. Die eingesetzten Spionagemethoden variieren je nach Einsatzgebiet und Operationsziel. Oft führt vor allem die Kombination verschiedener Spionagetechniken zum Erfolg. Erst aus der Masse der von verschiedenen Quellen stammenden Informationen erstellen die Analytiker der Geheimdienste eine Gesamtbewertung.

War die Ballon-Mission ein Erfolg?

Es bleibt abzuwarten, was die Analyse der Wrackteile des abgeschossenen Ballons durch die amerikanischen Experten ergibt. Über den Hintergrund des Ballonflugs lässt sich derzeit nur spekulieren. Möglich wäre eine Fehleinschätzung von chinesischer Seite aus, dass der Ballon nicht entdeckt werden würde. Eventuell haben vergangene erfolgreiche ähnliche Missionen zu dieser Fehleinschätzung geführt oder die Mission fand auf Grundlage fehlerhafter Informationen statt. Diskutiert wird auch die Möglichkeit, ob es sich um eine bewusste Provokationsaktion handelt, um zu testen, wie die USA reagieren würden.

Natürlich bleibt auch die Option, dass es sich tatsächlich nur um einen Wetterballon handelt. Vielleicht sogar mit dem Hintergrund eines besonders perfiden Plans: China schickt einen harmlosen Wetterballon gezielt über die USA und hofft auf eine übertriebene Reaktion der Amerikaner. Danach ließe sich in der Öffentlichkeit die eigene Handlung als besonnen, die amerikanische dagegen als hysterisch darstellen. Zugegeben, ein weit hergeholtes Szenario, aber in der Welt der Spionage ist alles möglich und jedes Mittel recht…

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 07.02.2023