C.P. Stirn’s Photographische Geheim-Camera

Verdeckte Fotografie durchs Knopfloch

Schon bald, nachdem Fotoapparate halbwegs portabel waren, erkannte man deren Potenzial, heimliche Aufnahmen von Personen anzufertigen. Ein frühes Beispiel einer getarnten Kamera befindet sich in der Dauerausstellung des Deutsches Spionagemuseum: Stirn’s Photographische Geheim-Camera von 1888.

 

Erfunden in New York, gebaut im Deutschen Reich

Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich der Begriff Geheimkamera oder auch Detektivkamera für Fotoapparate, die ohne Stativ auskamen. Sie ließen sich aufgrund ihrer Konstruktion leichter transportieren und verstecken als herkömmliche Kameras. Der Begriff umfasst sowohl Boxkameras, welche die damals übliche Kastenform aufwiesen, dabei allerdings deutlich handlicher waren, als auch solche Modelle, die in Alltagsgegenständen verbaut waren oder sich zum Beispiel in der Kleidung verbergen ließen.

Auswahl an Fotoapparaten im Brockhaus Konversations-Lexikon (14. Auflage). Links mittig die Geheimkamera von Stirn

Das Konzept für Stirn´s Photographische Geheim-Camera wurde von Robert D. Gray in New York entwickelt und 1885 der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein deutscher Einwanderer namens Carl P. Stirn erstand die Lizenz für das Gerät. Auf dieser Grundlage konnte sein Bruder Rudolf Stirn ab 1886 die Kamera im Deutschen Reich produzieren.

Die Geheimkamera bestand aus einem verchromten Messing-Gehäuse mit den Maßen 16 x 12 cm (HxB). Der heimliche Fotograf hing sich die nur 5 cm tiefe Kamera an einer Schnur um den Hals, sodass sie sich etwa auf Brusthöhe befand. Eine Weste oder auch ein übergezogener Mantel verbarg die Kamera. Das hervorstehende Periskop-Objektiv wurde durch ein Knopfloch geschoben und konnte so Bilder aufnehmen. Es sah einem Knopf ähnlich und fiel nicht auf.

Heimliche Fotoaufnahmen auf Glasplatten

Im Inneren der Kamera befand sich noch kein Film. Stattdessen wurden die Bilder auf eine runde Glasplatte gebannt. Auf dieser ließen sich im Kreis sechs einzelne Bilder belichten. Die ebenfalls runden Bilder auf der Platte waren etwa 4 cm groß. Der Auslöser befand sich an der Unterseite an der Geheimkamera. Als Fernauslöser diente eine Schnur, die sich in der Mantel- oder Hosentasche verbergen ließ.

Eine Spiralfeder, die man durch den frontal an der Kamera angebrachten Drehknopf spannte, sorgte dafür, dass die Glasplatte selbsttätig nach jeder Aufnahme rotierte. Dadurch wurde jeweils ein neuer unbelichteter Teil der Platte unter dem Objektiv platziert. Damit war sie einsatzbereit für das nächste Foto. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kameras ließen sich also sechs Bilder aufnehmen, ohne die Platte zwischendurch wechseln zu müssen.

Eingesetzt wurde die Kamera unter anderem von der Polizei, um verdeckte Aufnahmen bei Treffen von Sozialdemokraten anzufertigen. Die in monarchischen Kreisen als Reichsfeinde angesehenen Sozialdemokraten standen regelmäßig unter strenger Beobachtung. Auch die Presse nutzte solche Kameras, um zum Beispiel bei Gerichtsprozessen unentdeckt Aufnahmen anzufertigen.

Die nächste Generation an Geheimkameras setzte nicht mehr auf Platten, sondern auf den 1892 entwickelten Rollfilm. Die Kameras wurden in der Folge deutlich kleiner, wie sich im Deutschen Spionagemuseum am Beispiel der Tica Expo Pocket Watch, die lediglich die Größe einer Taschenuhr aufweist, oder der Petal-Kamera sehen lässt.