Neue Erkenntnisse aus freigegebenen BND-Akten beleuchten eine bislang unbekannte Seite der Reporterlegende Peter Scholl-Latour als geheimdienstliche BND-Quelle. Der Fall bietet auch Anlass zur Frage: Wie ist die Zusammenarbeit von Journalisten mit Geheimdiensten zu bewerten?
Aufgedeckt hat den Fall der Journalist und Geheimdienstexperte Florian Flade. Am 4. November 2025 gab er im Deutschen Spionagemuseum Einblicke in seine Recherchen. Einen konkreten Anlass zur Recherche im Sinne eines Anfangsverdachts habe es nicht gegeben, so Flade. Durch Zufall sei ihm aufgefallen, dass sich Scholl-Latours Todestag zum zehnten Mal jährt – ab diesem Zeitpunkt ist eine Personenabfrage im BND-Archiv möglich. Er habe also den Schuss ins Blaue gewagt und einen Antrag gestellt.

Peter Scholl-Latour (1924-2014) war allem für seine Berichterstattung aus Kriegs- und Krisengebieten bekannt. Er agierte als langjähriger Korrespondent für ARD und ZDF, war WDR-Fernsehdirektor und Stern-Herausgeber sowie erfolgreicher Sachbuchautor. Flades Recherchen ergänzen das Bild nun um einen Aspekt, den Scholl-Latour auch in seinen Memoiren nicht erwähnt: Er war Zuträger des BND und hat sich regelmäßig mit BND-Mitarbeitern getroffen, um Informationen zu übermitteln.
Eine weitere Spionageepisode Scholl-Latours dagegen war durchaus bekannt: In den Jahren 1949/50 hat er für den französische Auslandsnachrichtendienst Deuxième Bureau Spionagefahrten in den Osten durchgeführt. Die Aktion wurde ihm aber zu heiß und er brach den Kontakt ab.
Die Zusammenarbeit mit dem BND lässt sich ab 1981 nachweisen. Scholl-Latour erhielt zuerst den Decknamen: Frank, der aber doppelt vergeben war, daher wurde auf den Decknamen Pedro gewechselt. Er lieferte vor allem Berichte aus Krisengebieten. Zu den Aktivitäten, die Scholl-Latour zudem für den BND ausführte, gehörte das „tippen“: Er gab Daten bestimmter, ihm bekannter Personen weiter, die evtl. für den Geheimdienst als weiterer Kontakt interessant sein könnten.
Etwas unklar ist laut Flade die Tatsache, dass in den Dokumenten von „Arbeitsname“ statt „Deckname“ gesprochen wird. Eigentlich wird diese Bezeichnung nur für feste BND-Mitarbeiter angewandt. War Scholl-Latour doch mehr als nur eine Gelegenheitsquelle? Dokumentiert sind auch nicht ungefährliche Aufträge, wie zum Beispiel eine Reise nach Beirut, um dort im Bürgerkrieg einen BND-Kontakt zu treffen. Es sei aber fraglich, ob sich diese Unklarheit nach so langer Zeit noch klären ließe.
Die Enthüllungen haben für Flade die Frage aufgeworfen: Ist Scholl-Latours geheimdienstliche Aktivität als Journalist moralisch fragwürdig? Laut dem Deutschen Journalistenverband sollen Journalisten nicht für Nachrichtendienste arbeiten. Doch Scholl-Latour ist keine Ausnahme: Laut Flade verfügt der BND über zahlreiche nachgewiesene Kontakte zu Journalisten. Dazu gehören auch prominente Namen wie Stern-Gründer Henri Nannen oder BILD-Chefredakteur Peter Boenisch.
Letztendlich müsse grundsätzlich jeder Journalist für sich selbst entscheiden, ob er diesen Weg gehen wolle. Aus Flades Sicht würden sich aus einer Zusammenarbeit mit Nachrichtenseiten zwei Probleme ergeben: Einmal schade es der objektiven Berichterstattung, zu der jeder Journalist verpflichtet ist.

Außerdem würden in vielen Ländern und Krisengebieten Journalisten ohnehin unter Verdacht stehen, zu spionieren. Diese Stigmatisierung sollte man nicht durch die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten verstärken, darunter leide das Ansehen der Branche und man bringe womöglich sogar Kollegen in Gefahr.
Mittlerweile habe sich einiges geändert, so Flade, offiziell stehe der BND zur Pressefreiheit und zum Quellenschutz von Journalisten. Es ist zwar möglich, Journalisten als nachrichtendienstliche Verbindungen zu führen, sie gelten aber laut BND-Gesetz als besonders schützenswerte Berufsgruppe.
Allerdings sei der Begriff schützenswerte Berufsgruppe nicht ausdefiniert. Es gebe durchaus Forderungen nach einer klaren Definition, denen der BND aber nicht nachkommt. Zu groß sei die Sorge, dass Presseausweise zum Beispiel von Extremisten als Schutz oder Tarnung genutzt werden. Das Thema bleibt spannend und wird sicher auch in der Zukunft immer wieder für Kontroversen sorgen.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 20.11.2025