Veranstaltungsrückblick: Sabotage – Deutschland in Putins Visier

Eine neue Dokumentation wirft ein erschreckendes Licht auf aktuelle Sabotagetätigkeiten in Deutschland und Europa. Hintergründe und Details zu ihren Recherchen stellten zwei an der Dokumentation beteiligte Journalisten im Deutschen Spionagemuseum vor.

Investigative Dokumentation zu aktuellen Sabotageaktionen

Die Dokumentation Sabotage – Deutschland in Putins Visier, eine investigative Recherche von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung, deckt auf, welche Strategien und Methoden bei den jüngsten Sabotageakten angewendet wurden. Die Dokumentation erzählt auch, wie russische Geheimdienste Saboteure und Informanten über Social-Media-Plattformen anwerben.

Die Journalisten Florian Flade und Manuel Bewarder wirkten an der Dokumentation mit. Am 9. Oktober 2025 gaben beide im Gespräch mit Moderator Helmut Müller-Enbergs Einblicke in die Entstehung und die Ergebnisse der Recherchen. Sie präsentierten zudem Ausschnitte aus der Dokumentation.

Präsentation der Dokumentation "Sabotage: Deutschland in Putins Visier"
Florian Flade, Helmut Müller-Enbergs und Manuel Bewarder auf dem Podium im Deutschen Spionagemuseum (v.l.n.r.)

Als beispielhaft für das Vorgehen stellten sie den Fall Serhij vor. Serhij S., ein nach Deutschland geflüchteter Ukrainer, wurde über den Messenger-Dienst Telegram für einen Brandanschlag auf eine Fabrik in Polen angeworben. Er war den Auftraggebern aufgefallen, weil er in den sozialen Medien pro-russische Kommentare gepostet hatte.

Flade beschrieb den Fall als relevant für die Doku, weil dazu bereits ein Gerichtsverfahren lief, das etliche Details an Licht brachte. Serhij hatte den Anschlag zwar im letzten Moment abgebrochen, die Tatsache, dass er trotzdem acht Jahre Gefängnisstrafe erhielt, bewerteten die Journalisten als Exempel, um ähnliche Täter abzuschrecken.

Wer steckt hinter den Brandanschlägen?

Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Russland hinter dieser und ähnlichen Sabotageaktionen steht. Als Auftraggeber für derartige Rekrutierungen über soziale Medien agiere mit hoher Wahrscheinlichkeit der russische Militärnachrichtendienst GRU, so Bewarder. Die Agentenstrukturen seien dabei pyramidenförmig aufgebaut: Auf oberster Ebene agiere die GRU, darunter in verschiedenen Abstufungen sogenannte „Low-level” oder „Wegwerf-Agenten”. Diese hätten außer über Messenger-Dienste keinen Kontakt oder Bezug zum Geheimdienst, sodass konkrete Verbindungen sich kaum nachweisen lassen.

Die Pyramidenstruktur erschwere die Verfolgung, denn dabei kommt es zu einer starken Aufgabenteilung. Als Beispiel diente hier der DHL-Plot, bei dem 2024 Brandsätze verschickt wurden mit dem Ziel, sensible Infrastrukturen zu stören. Ein Agent präparierte die Pakete mit den Brandsätzen, ein anderer liefert sie an den nächsten Agenten, der sie schließlich aufgibt. Oft ließen sich dabei den Journalisten zufolge nur die untersten Stufen der Agentenpyramide nachverfolgen, die Drahtzieher dagegen blieben unerkannt.

In Leipzig kam es 2024 fast zur Katastrophe, die nur verhindert wurde, weil aufgrund einer Zeitverzögerung ein Brandsatz zu brennen begann, bevor das Frachtflugzeug startete – und nicht während des Flugs. Das Ganze war kein Einzelfall: Auch in Warschau begann kurz darauf ein Paket bei einem Logistikunternehmen zu brennen, einen Tag später auch in Birmingham.

Bei den sogenannten Low-Level-Agenten handele es sich in der Regel um Amateure, die z. B. durch Äußerungen im Netz aufgefallen waren und mit Geld geködert werden. Die Anwerbung laufe zum Teil automatisiert durch Chatbots. Im Gegensatz zur aufwendigen und teuren Agentenwerbung und -ausbildung in vergangenen Zeiten sei es heute möglich, mit relativ wenig Geld viele Personen zu aktivieren.

Welchen Zweck haben die Drohnenüberflüge?

Eine weitere Methode, die derzeit in Europa für Unruhe sorgt, sind die vielfach gesichteten Drohnenüberflüge über Militärareals oder auch zivilen Strukturen wie Flughäfen. Dabei kamen laut den Journalisten neben handelsüblichen Modellen auch große militärische Drohnen zum Einsatz. Die Aktionen verfolgen laut Flade mehrere Ziele: Neben dem Ausspionieren bestimmter Strukturen gehe es darum, zu testen, wie die Sicherheitsstrukturen und die Politiker der betreffenden Länder reagieren.

Präsentation der Dokumentation "Sabotage: Deutschland in Putins Visier"

Außerdem sollen durch die Aktionen die Sicherheitsbehörden in Europa beschäftigt werden, um so ggf. von anderen Operationen abzulenken. Nicht zuletzt wolle man durch die Überflüge Präsenz zeigen und die Hilflosigkeit der Behörden aufzeigen. So setze man westliche Politiker unter Druck und förderte Diskussionen und Streit, ob in Waffen und Aufrüstung oder Sozialsysteme investiert werden soll.

Ein großer Vorteil dieser wirkungsvollen Methode liege in der einfachen Durchführbarkeit und den geringen Kosten, so Flade. Auch wenn Putin derzeit militärisch nominell gegen die NATO nicht bestehen könne, so gelinge es im Graubereich solcher hybrider Kriegsführung durchaus Schaden zu verursachen: Schon die vorübergehende Schließung eines Flughafens verursache erhebliche Kosten.

Für diejenigen, die nun mehr wissen wollen: Die Dokumentation ist derzeit in der ARD-Mediathek zu sehen.


Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 22.10.2025