Der Erste Weltkrieg (1914-1918) ist bekannt für den Einsatz neuer Militärtechnik wie Giftgas, Panzer oder U-Boote. Weniger bekannt sind die teils kuriosen Spionagetricks im Schützengrabenkrieg, etwa der Einsatz falscher Bäume zur verdeckten Beobachtung des Feindes.
In den ausgebombten Gebieten der Westfront im Ersten Weltkrieg waren die Möglichkeiten zum optischen Auskundschaften des Gegners begrenzt. Aus den Schützengräben heraus beobachtete man mit Grabenperiskopen. Da dabei nur der obere Bereich des Periskops aus dem Schützengraben ragte, war der Beobachter hierbei vor feindlichem Beschuss geschützt und zudem gut verborgen. Allerdings war er auch an den Verlauf der eigenen Schützengräben gebunden und konnte daher oft nicht nah genug an die feindlichen Stellungen gelangen.
Grabenperiskop und Flugzeugkamera aus dem Ersten Weltkrieg [Sammlung Deutsches Spionagemuseum]
Eine weitere Methode war die Aufklärung mit Fototechnik aus der Luft. Das geschah entweder mit speziell trainierten Brieftauben oder mit Flugzeugen. Bei den automatisch auslösenden Kameras der Brieftauben gestaltete es sich oftmals als Glücksache, ob relevante Informationen abgelichtet wurden. Die Flugzeuge im Ersten Weltkrieg flogen so niedrig, dass sie entdeckt und beschossen werden konnten. Außerdem war es durch das frühzeitige Entdecken möglich, Material und Soldaten rechtzeitig zu tarnen.
Die genannten Möglichkeiten kamen häufig zum Einsatz und konnten trotz ihrer Schwächen regelmäßig wertvolle Informationen liefern. Ergänzend zu diesen Taktiken entwickelte die Abteilung für Tarnung (Section de Camouflage) der französischen Armee eine weitere Spionagemethode, um näher an den Gegner zu gelangen und dabei gleichzeitig unentdeckt zu bleiben.
Auf zeitgenössischen Fotos der Westfront ist zu erkennen, dass im sogenannten Niemandsland zwischen den feindlichen Schützengräben lediglich zerschossene Bäume als Objekte aus der Kraterlandschaft herausragen. Aus diesem Grund entstand die Idee, Soldaten in speziell präparierten falschen Bäumen als Beobachtungsposten einzusetzen. Diese falschen Bäume kleidete man von innen mit Stahl aus. Zudem verfügten sie über Beobachtungspunkte und teilweise auch Periskope. Von hier aus konnten die Soldaten geschützt vor dem feindlichen Beschuss spionieren.
Es wäre allerdings zu auffällig gewesen, einen derart präparierten Baum einfach so in die Landschaft zu setzen. Damit der neue Spionageposten geheim blieb, war einiges an Vorarbeit nötig: Zuerst musste ein passender echter Baum gefunden werden, der sich hinsichtlich Größe und Standort nutzen ließ. Von diesem Baum fertigte man dann Fotografien und Skizzen an, auf deren Grundlage Techniker eine möglichst exakte Replika herstellten. Anschließend fällten Soldaten nachts den Originalbaum und ersetzten ihn durch das Replikat.
Auch wenn die Franzosen die ersten waren, die einen Spionagebaum kreierten, so übernahmen schließlich alle Kriegsparteien die Technik. Bei den englischen Truppen nannte sich das Projekt O.P. Tree, bei den deutschen Truppen lief es unter dem Namen Baumbeobachter.
Nach Expertenschätzungen setzen die Briten im Ersten Weltkrieg über 40 solcher Spionagebäume ein. Auch wenn keine weiteren Einsatzzahlen bekannt sind, so zeigt dieser dutzendfache Einsatz doch, dass sich der Aufwand gelohnt haben muss. Die Spionagebäume waren offensichtlich in der Lage, relevante Informationen zu liefern.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 19.01.2024