Es gab viele außergewöhnliche Persönlichkeiten in der Geschichte der Spionage, doch der Mythos um Mata Hari ist etwas ganz Besonderes. Auch heute noch fasziniert viele Menschen die Mischung aus Geheimnis, Verruchtheit und Tragik, die mit der Lebensgeschichte der wohl berühmtesten Agentin der Welt einhergeht.
Dabei war Mata Hari keine geborene Spionin – und vermutlich noch nicht einmal eine besonders gute. Die Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem durch ihre damals anrüchigen Tanzvorstellungen in ganz Europa berühmt gewordene Holländerin mit bürgerlichem Namen Margaretha Geertruida Zelle wurde aus Geldnot, und nicht aus Überzeugung zur deutschen Agentin H21. Über diese ungewöhnliche Laufbahn bis zu Mata Haris Verhaftung hatten wir bereits im Blog berichtet.
Nun wollen wir der Frage nachgehen, wie es nach der Verhaftung mit Mata Hari weiterging. Untrennbar mit dem Mythos von H21 ist die Tatsache verknüpft, dass die kurze Spionagekarriere tragischerweise vor einem französischen Hinrichtungskommando endete. Wenn man aber bedenkt, dass Mata Hari zwar durchaus Geld vom deutschen Geheimdienst erhielt, dafür aber, soweit bekannt, eigentlich keine wertvollen Informationen lieferte, mag diese drastische Strafe überraschen.
Es klingt vielleicht ernüchternd, aber die berühmteste Agentin der Welt schien im Spionage-Beruf nicht wirklich zu überzeugen. Diesen Eindruck hatte ihr Chef, Geheimdienst-Leiter Walter Nicolai, bereits nach einem ersten Treffen bekommen. Der deutsche Geheimdienstler war an Mata Hari interessiert, weil ihre Kontakte zur europäischen Oberschicht durch ihre Berühmtheit vortrefflich waren – unter anderem galt sie als Geliebte des französischen Kriegsministers.
Nicolai aber schrieb in seinen Erinnerungen, dass er nicht glaube, Mata Hari sei in der Lage, wertvolle Informationen zu erkennen. Selbst wenn der Minister ihr derartige Informationen anvertrauen würde, glaube er, dass „sie viel zu dumm sein würde, es zu verstehen und brauchbar berichten zu können“.
Er schien mit dieser Einschätzung recht zu behalten, Mata Hari wurde keine Spionin, deren Informationen den Verlauf des 1. Weltkriegs hätten beeinflussen können. Aufgrund ihrer europaweiten Bekanntheit eignete sie sich aber wunderbar für eine aufsehenerregende Medienkampagne. Ihre Enttarnung als deutsche Agentin wurde daher von der französischen Propaganda als großer Erfolg gefeiert. Damit sollte einerseits das Ansehen des französischen Geheimdiensts, der zu dieser Zeit nur wenig Erfolge vorweisen konnte, verbessert werden, als auch die kriegsmüde französische Bevölkerung neuen Antrieb erhalten, gegen die heimtückisch spionierenden Deutschen zu kämpfen.
Es scheint so, dass Mata Hari nicht wegen ihrer Leistungen, sondern wegen ihrer Persönlichkeit sterben musste. Sie wurde zum Symbol des deutschen Feindbilds stilisiert und die Erschießung zum Exempel. Auch wenn es zur Meisterspionin nicht reichte, eines konnte Mata Hari: Sie war zeitlebens eine Meisterin der Selbstinszenierung. Das gilt auch für ihren letzten Auftritt im Festungsgraben des bei Paris gelegenen Schlosses Vincennes.
Laut Augenzeugen soll Mata Hari am 15. Oktober 1917 nicht verzweifelt und ängstlich, sondern erhobenen Hauptes und fast schon theatralisch zur Hinrichtung geschritten sein. Es schien, als würde sie durch ein Publikum aus Soldaten zur ihrer letzten Bühne gehen. Angeblich warf sie dem Erschießungskommando sogar einen Luftkuss zu. Eine Augenbinde verweigert sie ebenso wie an den Pfahl gebunden zu werden.
Ihre letzten Worte richtete sie an den Kommandanten, als dieser den Säbel hob, um den Soldaten den Befehl zum Feuern zu geben: „Ich danke Ihnen, Monsieur!“ Auch diese scheinbar angeborene Theatralik war einer der Gründe, weshalb Mata Hari zu dem Mythos wurde, der sie bis heute ist.
Autor: Florian Schimikowski
Veröffentlicht am: 15.10.2023