Widerstand gegen Hitler – Am 9. April 1945 wurde Abwehr-Chef Canaris hingerichtet

Nur wenige Geheimdienst-Biografien wurden in den vergangenen Jahrzehnten so kontrovers besprochen wie die von Wilhelm Canaris. Einerseits leitete er die Abwehr, den deutschen militärischen Geheimdienst im 2. Weltkrieg, und unterstützte damit die deutschen Kriegsaktivitäten. Andererseits engagierte er sich im Widerstand gegen Hitler und musste dafür schließlich mit seinem Leben bezahlen.

Wendepunkte in Canaris’ Haltung zu Hitlers Politik

Wilhelm Canaris hat sein ganzes Leben beim Militär verbracht. 1905 trat er mit 18 Jahren in den Dienst der Marine ein und stieg im 1. Weltkrieg rasch auf. Nach dem Krieg pflegte er enge Kontakte mit republikfeindlichen Kreisen und galt ab den frühen 1930er-Jahren als bekennender Nationalsozialist und Unterstützer Hitlers. Im Januar 1935 übernahm Canaris die Leitung des militärischen Geheimdienstes, der Abwehr, welchen er in den folgenden Jahren stark ausbaute.

Wilhelm Canaris, 1940 [Bundesarchiv, Bild 146-1979-013-43 / CC-BY-SA 3.0]

Wann aber kühlte Canaris’ Begeisterung für Hitler ab? Ein wichtiger Wendepunkt war die Blomberg-Fritsch-Krise im Jahr 1938. Dabei handelte es sich um die unter fadenscheinigen Gründen vorgenommene Absetzung des Reichkriegsministers und des Oberbefehlshabers des Heeres sowie tiefgreifende personelle Umstrukturierungen bei weiteren leitenden Militärangehörigen, die Hitlers aggressiven Kriegsplänen ablehnend gegenüberstanden. Diese respektlose Behandlung verdienter Militärs durch das nationalsozialistische Regime empörte Canaris zutiefst.

Der zweite entscheidende Wendepunkt stellte der deutsche Polenfeldzug im Jahr 1939 dar. Die Abwehr hatte bei der Vorbereitung des Feldzugs maßgeblich mitgewirkt. Entsetzt zeigte sich Canaris nach Kriegsbeginn über die Verbrechen von Gestapo und SS in Polen. Dies widersprach grundlegend seinem Verständnis vom „ehrhaften Krieg”, wie er es bei der kaiserlichen Marine erlernt hatte. Spätestens jetzt erkannte er, dass Hitlers Ziele mit den seinen nicht vereinbar waren.

Canaris und der Widerstand

Nach wie vor ist allerdings umstritten, wie stark Canaris sich in den Folgejahren tatsächlich im Widerstand engagierte. Schon vor dem Krieg gehörte Canaris zu einer Gruppe konservativer Kriegsverhinderer. Allerdings verliefen deren Bemühungen, Hitler von seinen Plänen abzubringen, erfolglos. Nach dem Überfall auf Polen begann er, persönlichen Bekannten – getarnt als Agenten der Abwehr – zur Flucht aus Deutschland zu verhelfen.

Es sollte aber dauern, bis Canaris auch selbst aktiv am Widerstand teilnahm. Zuvor deckte er Mitglieder der Abwehr, die sich deutlich aktiver am Widerstand beteiligten. Aktiv wurde er vor allem über seine geheimen Verbindungen ins Ausland. Ohne Erfolg verhandelte er inoffiziell über einen Separatfrieden oder eine Teilkapitulation der Wehrmacht. Um das Vertrauen der Alliierten in den deutschen Widerstand zu stärken, lieferte er ihnen zudem militärische Informationen wie Schlachtpläne.

Empfang zu Hitlers 50. Geburtstag. Canaris ist vorne links im Bild zu sehen [Bundesarchiv, Bild 183-H28859 / CC-BY-SA 3.0]

Doch Canaris zeigte im Krieg auch eine andere Seite, die Historiker beschäftigt. Die Abwehr lieferte Hitler unter seiner Führung zahlreiche geheimdienstliche Informationen und führte erfolgreiche Operationen durch. Dabei kam es auch zu engen Kooperationen mit der SS und zu Verbrechen durch die der Abwehr unterstellten Geheimen Feldpolizei. Canaris trat sowohl als Widerständler wie auch als Mittäter in Erscheinung. Nach mehreren fehlgeschlagenen Operationen der Abwehr allerdings wurde Canaris im Februar 1944 seines Amtes enthoben. Die Abwehr wurde in der Folge mit dem Sicherheitsdienst SD zusammengefasst.

Hinrichtung im KZ Flossenbürg

Am 22. Juli 1944 gestand Georg Hansen, ein Mitarbeiter der Abwehr, dass er und auch Canaris auf einen Umsturz gegen Hitler hingearbeitet hätten. Canaris wurde daraufhin verhaftet. Bei den anschließenden Ermittlungen entdeckte die Gestapo ein von Mitgliedern der Widerstandbewegung angelegtes Geheimarchiv. Dort fanden sich Notizen aus dem Tagebuch von Canaris, in dem er seine Gedanken und Aktionen niedergeschrieben hatte. Auf diese Weise ließ sich sein Kontakt zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus nachweisen.

KZ Flossenbürg, 1945

Anfang April 1945 wurde er von einem SS-Standgericht im Konzentrationslager Flossenbürg zusammen mit anderen Widerständlern, unter anderem dem Theologen Dietrich Bonhoeffer zum Tode verurteilt. Am 9. April 1945 erfolgte die Hinrichtung der Verurteilten durch Hängen. Die Widersprüchlichkeit von Canaris‘ Handeln hat dazu geführt, dass er von der Nachwelt bis heute deutlich kritischer gesehen wird als andere Widerständler.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 09.04.2022