Die letzte Hinrichtung im Tower – Am 15. August 1941 schrieb ein deutscher Spion Geschichte

Der Tower of London ist eine der beliebtesten Touristenattraktionen in ganz England. Er diente der britischen Monarchie über die Jahrhunderte nicht nur als Residenz, Waffenkammer, Zoo oder Gefängnis, sondern auch als Hinrichtungsstätte. Mitten im 2. Weltkrieg, am 15. August 1941, war es ein gefangener deutscher Spion, dem die zweifelhafte Ehre zuteilwurde, als letzte Person überhaupt im Tower hingerichtet zu werden.

Tower of London, 2006 [pikous, CC BY 2.0]

Geheimagenten im Kriegseinsatz

Wie in jedem Krieg stellte auch im 2. Weltkrieg der Einsatz von Spionen eine elementare Informationsquelle für strategische Entscheidungen dar. Die verdeckt im Feindesland arbeitenden Agenten waren nötig, um an Informationen über Strategien, Waffen und Angriffspläne der Feinde zu gelangen. Man nutzte Spione zudem, um dem Feind gezielt Falschinformationen unterzuschieben.

Doch durch Großbritanniens geographische Lage als Insel gestaltete es sich dort besonders schwierig, Spione einzuschleusen. Die Antwort auf dieses Problem bestand für die Abwehr als deutscher militärischer Nachrichtendienst darin, Spione auf dem Luftweg durch Fallschirmspringer in das Land eindringen zu lassen. Sie statteten ihre Agenten mit britischer Währung, Funksendern und gefälschten Identitäten aus und ließen sie dann über der Insel abspringen.

Die Spionagekarriere des Josef Jacobs

Josef Jakobs diente schon im 1. Weltkrieg in der deutschen Infanterie und stieg zum Leutnant auf. Als der 2. Weltkrieg ausbrach, wurde er 1940 wieder als Leutnant eingezogen. Als allerdings bekannt wurde, dass er wegen Goldfälschung zwei Jahre in der Schweiz inhaftiert war, degradierte man ihn zum Feldwebel und versetzte ihn in den meteorologischen Dienst der Abwehr. Im Zuge seiner Arbeit dort sollte er als Spion nach England eingeschleust werden, um Informationen über die britische Wetterentwicklung weiterzuleiten.

Will Jacobs 1940

Diese Informationen waren von einigem Interesse für die deutsche Seite, um britische Luftangriffspläne einschätzen zu können. Am 31. Januar 1941 sprang Jakobs über Ramsey in Huntingdonshire ab und landete in der Nähe einer Farm. Bei der Landung verletzte er sich allerdings am Knöchel, wodurch er nicht in der Lage war, seine Mission fortzusetzen.

Unter Schmerzen verbrachte er die Nacht auf dem Feld. Am nächsten Morgen machte er schließlich durch Pistolenschüsse auf sich aufmerksam. Die gerufene Polizei traf ihn noch in seinem Fallschirmspringeranzug an. Auch die von Jakobs notdürftig vergrabene Ausrüstung wurde gefunden. 

Im Verhör mit dem MI5 gab er zu, von den Deutschen als Spion geschickt worden zu sein. Er beteuerte aber, nie die Absicht gehabt zu haben, Informationen ins Deutsche Reich zu senden. Stattdessen habe er weiter in die USA fliehen wollen. Was Jakobs nicht bewusst war: die Briten wussten schon lange im Voraus von seiner Ankunft. Seit die ersten deutschen Spione während des 2. Weltkriegs in Großbritannien ankamen, war das MI5 in der Lage, diese meist schon kurz nach ihrer Ankunft aufzuspüren.

Fehlerhafte deutsche Agentennetzwerke

Anscheinend hatte die deutsche Abwehr große Probleme, wirklich geeignete Spione zu finden. Die gesendeten Spione beherrschten selten akzentfreies Englisch. Häufig lag deren Loyalität auch nicht beim Deutschen Reich. Sie stellten sich den Briten, um sich dort als Doppelagent anzubieten.

Die übergelaufenen Spione versorgten die deutsche Abwehr mit Falschinformationen und setzten das MI5 über neu ankommende Spione in Kenntnis. Die britischen Behörden konnten diese dann bei der Landung sofort abfangen. Anschließend überprüfte das MI5 die Nützlichkeit der Spione. Mit diesem sogenannten „Double Cross System“ waren die Briten fähig, viele der deutschen Agenten zu enttarnen.

Josef Jakobs gehörte jedoch zu jenen Spionen, die das MI5 nicht weiter als Doppelagenten nutzen wollte. Er wurde in einem zweitägigen Gerichtsverfahren der Spionage schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung fand am 15. August 1941 im Tower of London statt. Damit erhielt er die zweifelhafte Ehre, Geschichte zu schreiben, in dem er den Abschluss einer langen Reihe an Personen bildete, die im Tower ihren Tod fanden.

Der Tower of London als Hinrichtungsstätte

Immer wieder ließen Mitglieder der Königsfamilie konkurrierende Anwärter auf den Thron hinrichten. König Heinrich VIII etwa nutzte den Tower, um zwei seiner sechs Ehefrauen hinrichten zu lassen. Anne Boleyn starb hier am 17. Mai 1535 und Cathrine Howard am 23. November 1541. Der 1. Weltkrieg führte zu einer Reihe weiterer Exekutionen im Tower. Insgesamt wurden zwischen 1914 und 1916 elf deutsche Spione hingerichtet.

Der Stuhl, auf dem Jacobs hingerichtet wurde im Tower of London [Hu Nhu, CC BY-SA 4.0]

Josef Jakobs war tatsächlich der einzige Mensch, der im 2. Weltkrieg im Tower hingerichtet wurde. Da er wegen seines verletzten Knöchels nicht stehen konnte, wurde er, mit verbundenen Augen, an einen Stuhl gefesselt. Am 15. August 1941 um 07:12 Uhr starb er durch Schüsse des achtköpfigen Erschießungskommandos direkt ins Herz. Als letzter Hingerichteter wurde er ein Teil der Geschichte des Towers. Sein Hinrichtungsstuhl ist heute in der dortigen historischen Ausstellung zu sehen.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 15.08.2021