Rückblick: Spion ohne Grenzen – Heinz Felfe

1961 erschütterte den noch jungen BND ein handfester Skandal. Heinz Felfe, Leiter im Referat Gegenspionage, wurde als Doppelagent des KGB enttarnt. Diese Enthüllung beschädigte den Ruf des BND und insbesondere den seines Präsidenten Reinhard Gehlen nachhaltig, sowohl im In- als auch im Ausland.

Biografie zu Heinz Felfe erschienen

Umso mehr erstaunt es, dass die Person Heinz Felfe und die Ereignisse um seinen Aufstieg im BND sowie seine Enttarnung bisher in keiner eigenständigen Biografie in aller Breite untersucht worden sind. Dieser Aufgabe hat sich nun der Chefhistoriker des BND, Bodo V. Hechelhammer, angenommen. Er schrieb die Ergebnisse seiner langjährigen Auseinandersetzung mit dem Fall Felfe in dem Buch „Spion ohne Grenzen. Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten“ nieder. Am 5. September 2019 stellte er das Buch im Deutschen Spionagemuseum vor.

Auch fast 60 Jahre nach dem Felfe-Skandal scheint das Thema nicht an Anziehungskraft verloren zu haben. Der Veranstaltungsraum war voll besetzt, das Publikum altersmäßig bunt gemischt. Neben Autor Hechelhammer saßen der ehemalige BND-Direktor Hans-Henning Crome als Zeitzeuge und der Historiker Helmut Müller-Enbergs als Moderator auf dem Podium. Crome erwies sich als wertvolle Ergänzung zu den fachkundigen Ausführungen Hechelhammers. Immerhin war er einer der BND-Mitarbeiter, die im BND die Untersuchungen über den Fall Felfe leiteten.

BND-Zeitzeuge berichtet zum Fall Felfe

Wie Crome berichtete, sei er selbst überrascht gewesen, als er von BND-Präsident Reinhard Gehlen in dessen persönlichen Stab beordert wurde. Hier fanden die Vorermittlungen zu Felfe statt, gegen den ein Anfangsverdacht bestand. Gehlen habe sichere Fakten sammeln wollen, bevor er das offizielle Prozedere einer Untersuchung im BND startete.

Für Crome persönlich stellte dieser Schritt einen wichtigen Karrieresprung dar. Dieser äußerte sich auch darin, dass er, wie beim BND üblich, einen neuen Arbeitsnamen erhielt: „CASTROP“. Auf die Nachfrage, was es den mit diesem Namen auf sich habe und ob sich dahinter vielleicht eine tiefere Bedeutung verbarg, musste Crome abwiegeln. Die BND-interne Namensvergabe erfolgte durch das Personalbüro ohne Angabe von Gründen, die Mitarbeiter selbst hatten kein Mitspracherecht.

Gehlen scheint mit Cromes Arbeit am Felfe-Fall zufrieden gewesen zu sein. Aufgrund seiner Beteiligung an der Aufdeckung des Doppelagenten wurde dieser 1963 mit der Leitung der Organisationseinheit 85 (Org 85) betraut. Die Aufgabe der Org 85 bestand darin, diejenigen Mitarbeiter im BND zu ermitteln, die im NS-Regime an Gewalttaten beteiligt waren. In Folge dieser Untersuchungen mussten 71 Mitarbeiter den BND verlassen. Allerdings sollte es noch 45 Jahre dauern, bis auch die Öffentlichkeit Zugang zu den Ergebnissen Chromes erhielt. Soviel öffentliche Aufarbeitung war dann doch nicht erwünscht.

Neue Erkenntnisse durch erstmals zugängliche BND-Akten

Neben den Einblicken Cromes als Zeitzeugen war es die Fachkenntnis Hechelhammers, die es möglich machte, das Thema vielschichtig zu beleuchten. Hechelhammer konnte bei seiner Arbeit nicht nur auf erstmals zugängliche BND-Akten und Zeitzeugen zurückgreifen, manchmal kam ihm auch der Zufall zur Hilfe.

So berichtete er, dass er einmal nach einem Vortrag über das Thema von einem älteren Ehepaar angesprochen wurde, die ihm erzählten, dass sie Felfes erste Ehefrau gekannt hätten. Als sich dann herausstellte, dass aus dieser Bekanntschaft sogar noch Briefwechsel vorhanden waren, wurde Hechelhammer klar, dass sich hier eine neue Quelle auftat. Diese machte es möglich, Details zur Person Felfe zu erfahren, die weder Cromes Untersuchungen noch Felfes eigene biografische Aufzeichnungen bieten konnten – ein Glücksfall für den Historiker.

Felfes Motiv ist immer noch ungeklärt

Doch trotz aller Kenntnisse, die Hechelhammer und Crome unter der Moderation Enbergs an diesem Abend zusammentragen konnten – ein wesentlicher Aspekt von Felfes Spionagetätigkeit lässt sich nach wie vor nicht abschließend klären: das Motiv. Warum wird der überzeugt antikommunistische und nationalsozialistisch gesinnte ehemalige SS-Obersturmführer im Sicherheitsdienst erst zum Informanten des MI6, um dann zur Vorläuferorganisation des BND zu kommen und sich anschließend vom KGB anwerben zu lassen?

Während Crome die Gründe für diesen außergewöhnlichen Lebenslauf vor allem in Felfes Ego – dem Streben nach Anerkennung und Bedeutsamkeit – begründet sieht, vermutet Hechelhammer eher ein Motivationsbündel, dass unter anderem beeinflusst wurde durch die lange Zeit sehr ärmlichen Lebenszustände Felfes. Trotz aller Fortschritte zum Forschungsgegenstand Felfe bleibt diese Frage also immer noch offen für Interpretationen.


Die nächste Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum wendet sich der Gegenwart zu. Am 17. September gehen prominente Experten der Frage nach, wie Künstliche Intelligenz durch Nachrichtendienste eingesetzt wird. Der Eintritt ist wie immer frei.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 09.09.2019