Vom Archäologen zum Agenten: Am 16. August 1888 wurde „Lawrence von Arabien“ geboren

Ein Mann mittleren Alters mit heller Haut in traditioneller arabischer Kleidung. Dieses Bild von Thomas Edward Lawrence, der als „Lawrence von Arabien“ zu Berühmtheit gelangte, prägte das letzte Drittel seines Lebens.

Bis heute trägt es zum Mythos des Abenteurers und des Geheimagenten bei. Und es führte zu einer Flucht in die Anonymität des einfachen Soldatenlebens.

Frühe Begeisterung für Archäologie

Am 16. August 1888 wurde Thomas Edward Lawrence in einem kleinen Städtchen im Nordwesten von Wales geboren. Die familiären Verhältnisse waren schwierig: Sein Vater verließ Frau und Kinder, nachdem er sich in das Kindermädchen verliebte hatte. Aus dieser neuen Verbindung entstanden fünf Kinder, unter ihnen Thomas.

Weil er außerhalb einer legitimen Ehe geboren war, hatte er insbesondere in Kindheit und Jugend mit dem Image des „Bastards“ zu kämpfen. Lange galt er daher als Außenseiter. Schon mit 15 Jahren war ein ausgeprägtes archäologisches Interesse vorhanden. Er erkundete die Umgebung und entdeckte Grabmäler und Altertümer, die er dem örtlichen Museum meldete.

In den Jahren 1906 und 1907 bereiste er mit derselben Intention Frankreich. Innerhalb kürzester Zeit beherrschte er perfekt die Landessprache. Zwei Jahre später, mittlerweile Student an der Universität Oxford, begann seine Faszination für den Nahen und Mittleren Osten.

Thomas Edward Lawrence besuchte in drei Monaten weite Teile Syriens. Er legte dabei 1600 km zu Fuß zurück. Nach erfolgreichem Abschluss seines Studiums nahm er als Archäologe an Expeditionen des British Museum in Syrien teil. Dabei hielt er sich kurz in Ägypten auf und bereiste den Libanon, um Arabisch zu lernen.

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die Kenntnisse von Archäologen, unter anderem auch Thomas Edward Lawrence, vom britischen Militär zweckentfremdet: Offiziell schickte man sie in das Gebiet des heutigen Israel und Palästina, um eine in der Bibel erwähnte Region zu erkunden. Parallel fertigten sie jedoch auch aktuelle Karten einer im Kriegsfall strategisch wichtigen Region an.

Im Auftrag des britischen Geheimdienstes

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Thomas auf Rat eines Freundes nicht unverzüglich zum Kriegsdienst. Ende des Jahres 1914 wurde er dann für den britischen Nachrichtendienst nach Kairo berufen. Dort diente er unter seinem ehemaligen Vorgesetzen aus dem British Museum.

Eine Gemengelage von sich teilweise diametral gegenüberstehenden Interessen seitens Großbritanniens, Frankreichs, des Osmanischen Reichs und einer arabischen Unabhängigkeitsbewegung unter Führung des Emirs von Mecca machte die Situation im Mittleren Osten hochgradig unübersichtlich. So unübersichtlich, dass selbst der britische Nachrichtendienst in Kairo den Überblick verlor.

Der Nachrichtendienst hatte dem Emir von Mecca Unterstützung beim Aufstand gegen das Osmanische Reich und bei der Gründung eines eigenen Staates in und um Syrien zugesagt. Allerdings handelte die Regierung in London ein Abkommen mit Frankreich aus. Demnach sollte Syrien französische Kolonie werden.

Lawrence koordinierte Guerilla-Kampf

Während der Revolte der arabischen Stämme gegen den osmanischen Sultan spielte Thomas Edward Lawrence eine gewichtige Rolle bei der Koordinierung der arabischen Guerilla-Angriffe und nachrichtendienstlichen Aktivitäten, war jedoch gleichzeitig sehr erfolgreich als Verbindungsglied zum Emir von Mecca aktiv.

Umstritten ist, ab wann er von den englischen und französischen Plänen für Syrien wusste und seine arabischen Kämpfer dahingehend belog. Er versuchte jedoch, insbesondere in den letzten Kriegsjahren immer wieder, die britische Regierung davon zu überzeugen, dass ein eigenständiger arabischer Staat auch in ihrem Interesse sei.

Die Erfolge, die Thomas Edward Lawrence bei seiner Tätigkeit im Mittleren Osten erreichte, waren massiv beeinflusst durch sein tiefes Verständnis der Kultur, Tradition und Umgangsformen. Nicht zuletzt deswegen war er von seinen Vorgesetzten ausgewählt worden. Das Verständnis und die viele Energie, die nicht nur zum Erlernen der Sprache notwendig war, speisten sich wohl auch durch eine ernsthafte Zuneigung zu den Menschen, ihrer Geschichte und ihrer Kultur.

Diese Bindung machte es für ihn besonders schwer, die Stoßrichtung der britischen Regierung in der Frage nach einem arabischen Staat zu ertragen. Bei der Friedenskonferenz von Paris im Jahr 1919 war er Teil der Delegation des Emirs von Mecca, während der Konferenz in Kairo zwei Jahre später war er Berater von Winston Churchill und versuchte wohl, die arabischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu protegieren.

Der Mythos entsteht

Dass er unter dem Namen „Lawrence von Arabien“ berühmt wurde, hatte er nicht allein seinem militärischen, nachrichtendienstlichen und diplomatischen Erfolgen zu verdanken, sondern auch einer großen Fotoausstellung, die in London startete.

Für diese Ausstellung wurde Thomas Edward Lawrence noch einmal als Beduine eingekleidet und professionell fotografiert. Mit den Fotos für diese Ausstellung begann der Mythos von „Lawrence von Arabien”, der in den folgenden Jahrzehnten immer wieder neu belebt werden sollte. Eines der prominentesten Beispiele ist wohl der gleichnamige Film von 1962 mit hochkarätiger Besetzung, ausgezeichnet mit mehreren Oscars.

Während das Interesse an „Lawrence von Arabien“ immer weiter wuchs, versuchte Thomas Edward Lawrence der Öffentlichkeit zu entfliehen. Er ging sogar so weit, sich unter falschen Namen – John Hume Ross und T.E. Shaw – in untersten Rängen beim britischen Militär zu melden.

Im März 1935 wurde er aus dem Militär entlassen und verstarb am 19. Mai desselben Jahres nach einem verunglückten Ausweichmanöver mit seinem Motorrad.

Das Interesse für diese vielschichtige Persönlichkeit ist bis heute nicht erloschen, regelmäßig erscheinen neue Romane und Biografien, Filme und Theaterstücke zu seinem Leben. Ein Ende ist nicht abzusehen – neuerdings taucht Lawrence sogar in Videospielen auf.

Autor: Christoph Ewering

Veröffentlicht am: 16.08.2018