Spionage in der Antike – Geheimdienste im alten Rom

Spionage ist eines der ältesten Gewerbe der Welt. Bis zur Entwicklung moderner Geheimdienste war es ein langer Weg, doch geheimdienstliche Strukturen lassen sich schon früh nachweisen. Wir werfen diesmal einen Blick auf Spionageinstitutionen im alten Rom.

Römische Kundschafter mit Geheimauftrag

Moderne Begriffe wie Geheimdienst und Geheimpolizei sind in Bezug auf antike Institutionen sehr vorsichtig anzuwenden. Formelle Geheimdienste, wie wir sie heute kennen, gab es nicht. Die im Text verwendeten modernen Begriffe dienen daher eher dazu, Parallelen und Entwicklungslinien in der Geschichte aufzuzeigen, als die damaligen Institutionen 1:1 mit modernen Diensten gleichzusetzen.

Eine frühe römische Institution, deren Aufgaben spezifisch im Bereich der Aufklärung lagen, waren die Speculatores, auch Exploratores genannt, beides gleichzusetzen mit Kundschaftern. Diese wurden vom römischen Militär zur militärischen Aufklärung eingesetzt. Erste Berichte über die Speculatores stammen aus dem fünften und vierten Jahrhundert v. Chr. Damals kamen sie im Krieg gegen die Aequer, ein antikes Volk in Italien, zum Einsatz.

Kaiser Augustus reformierte zahlreiche Institutionen im Römischen Reich – auch die der Spionage

Kaiser Augustus (27 v. Chr. – 14 n. Chr.) reformierte die Kommunikationssysteme im Römischen Reich und wies dabei jeder Legion zehn Speculatores zu. Zudem lassen sich Speculatores in der kaiserlichen Garde, den Prätorianern nachweisen. Im Laufe der Zeit erweiterte sich ihr Aufgabenspektrum erheblich. Neben reinen Aufklärungsaufgaben agierten sie zudem als Geheimpolizei.

Das bedeutet unter anderem, dass sie auch Aufgaben als Leibwächter, Henker, Folterer und Attentäter ausführten. Die Speculatores waren für ihre Loyalität und Diskretion bekannt. Ihre gefürchteten Aktivitäten als Geheimpolizei führten allerdings dazu, dass sie bei der römischen Bevölkerung gefürchtet und verhasst waren.

Vom Getreideverteilen zum Informationensammeln

Im 2. Jahrhundert n. Chr. übernahmen die Frumentarii die Aufgaben der Speculatores. Der Name Frumentarii kommt daher, dass sie zuerst als eine Einheit zur Heeresversorgung in Erscheinung traten (frumentum = Getreide). Zudem gehörten auch das Eintreiben von Steuern sowie das Kurierwesen zu ihren Pflichten. Diese Aufgaben brachten sie mit Einheimischen in Kontakt und bildeten wohl eine Grundlage für die Entwicklung zur Spionageinstitution, da sie so zahlreiche Informationen sammeln konnten.

Römischer Grabstein aus Köln: die Abkürzung FRV für Frumentarius ist mittig zu erkennen

Zunehmend agierten auch sie in der Funktion einer Geheimpolizei mit den gleichen vielfältigen Aufgaben wie die Speculatores vor ihnen. Sie wurden regelmäßig als Machtinstrument des Kaisers eingesetzt, um unliebsame Bevölkerungskreise zu bespitzeln und zu drangsalieren. Ihr Ansehen innerhalb der Bevölkerung war daher so schlecht wie das der Speculatores. Tatsächlich häuften sich die Beschwerden über die Handlungen der Frumentarii derart, dass Kaiser Diokletian sie im Jahr 312 n. Chr. abschaffte.

Die ersten „Agenten“?

Die Frumentarii wurden im ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. sowohl im Kurierwesen als auch als Spionageinstitution und Geheimpolizei von den Agentes in rebus abgelöst. Der Name lässt keine eindeutige Übersetzung zu, wörtlich übersetzt bedeutet er soviel wie „Personen, die in Angelegenheiten handeln“. Es handelte sich also im weitesten Sinne um eine Art Sachbearbeiter.

Diese sehr schwammige Berufsbezeichnung trifft im Grunde auch heute noch auf die Mehrheit der in modernen Geheimdiensten tätigen Mitarbeitern zu. Der Großteil des Spionagehandwerks besteht nicht aus packenden Geheimoperationen, sondern dem nüchternen Erfassen und Verwerten von Informationen. Zum ersten Mal im Lauf der Geschichte taucht hier ein Begriff auf, der bis heute in der Geheimdienstwelt genutzt wird: der „Agent“.

Durch die spätantike römische Gesetzessammlung des Codex Theodosianus gibt es relativ viele Informationen zur Struktur der Agentes in rebus. Diese waren militärisch aufgebaut und untergliederten sich in fünf Rangstufen, angefangen von den equites über die circitores, biarchi, centenarii, bis hin zu den ducenarii. Die überlieferten Zahlen zur Größe der Einheit schwanken etwas und liegen zwischen 1100 und 1250 Personen.

Seine Gesetzessammlung bietet Einblicke in römische Spionagegeschichte: Kaiser Theodosius (379 – 395 n.Chr.)

Nicht alle davon waren Spione: Zu ihren Aufgaben gehörte die Aufsicht über zahlreiche öffentliche Einrichtungen und insbesondere über den cursus publicus. Diese vom römischen Reich unterhaltene Infrastruktur mit zahlreichen Wegstationen diente der Beförderung von Nachrichten, Gütern und Personen. Jeder, der diese Infrastruktur nutzte, brauchte dafür einen formellen Berechtigungsschein. Die Agentes in rebus kontrollierten das System und erhielten so einen umfassenden Überblick über Vorgänge und Bewegungen im ganzen Reich.

„Die Neugierigen“ spionieren in Rom

Neben diesem Ansammeln von Informationen im Rahmen offizieller Tätigkeiten handelten einige Mitglieder der Einheit auch als verdeckte Spione. Diese erhielten den  treffenden Namen curiosi (die Neugierigen). Es sind diese speziellen Agentes in rebus, die im Sinne einer Geheimpolizei agierten – und einen dementsprechenden schlechten Ruf innerhalb der Bevölkerung genossen. Zum Teil war die Institution anscheinend sogar so mächtig, dass die römischen Kaiser ihre Zahl und damit ihren Einfluss begrenzten.

Die Agentes in rebus übten ihre Aufgaben bis zum Ende des Römischen Reichs aus. Es folgte mit dem europäischen Frühmittelalter eine Zeit, in der sich aufgrund des Niedergangs der Schriftlichkeit deutlich weniger Nachrichten über Spionageinstitutionen und -aktionen finden lassen. Spionage gab es natürlich dennoch – doch dazu mehr in einem anderen Blog.


Bilderrechte:

Augustusstatue: Vatican Museums, Public domain, via Wikimedia Commons

Römischer Grabstein: Mediatus, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Münze Theodosius: Classical Numismatic Group, Inc. http://www.cngcoins.com, CC BY-SA 2.5, via Wikimedia Commons

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 07.06.2024