Unbekannte Schwergewichte der Geheimdienstwelt: Defence Intelligence (DI)

Viele Geheimdienste sind auch dem Geheimdienst-Laien wohlbekannt. Fast jeder hat schon einmal vom britischen MI6, der amerikanischen CIA oder auch dem israelischen Mossad gehört. Manche Schwergewichte der vielschichtigen Geheimdienstwelt sind weniger bekannt – und haben dennoch große Relevanz. Dazu gehört auch der britische Militärnachrichtendienst Defence Intelligence.

Ein Geheimdienst mit langer Vergangenheit

Die Geschichte des Defence Intelligence (DI) reicht zurück zur Gründung des britischen War Office im Jahr 1873. Im Laufe der Zeit erfolgten zahlreiche Umorganisationen der britischen Geheimdienststrukturen. Die britischen Dienste gehen im Grunde alle auf Militärnachrichtendienste zurück, von denen einige wie der MI5 (Military Intelligence 5) oder der MI6 (Military Intelligence 6) mittlerweile zivil agieren. Andere, wie der Military Intelligence 4 (Luftaufklärung), wurden umbenannt und gehören in ihrer Essenz heute zum DI.

Logo des DI

Ein umfassender Verteidigungsnachrichtendienst entstand 1964 als der britische Marinenachrichtendienst, der Militärische Nachrichtendienst und der Luftnachrichtendienst zum Defence Intelligence Staff (DIS) zusammengefasst wurden. 2009 erfolgte dessen Umbenennung in Defence Intelligence.

Alleinstellungsmerkmal „All-Source-Intelligence“

Als Geheimdienst unterscheidet sich der DI in einigen Punkten von den anderen britischen Geheidiensten. Die bekannten zivilen Geheimdienste MI5, MI6 und GCHQ weisen bestimmte Aufgabenschwerpunkte hinsichtlich ihrer Arbeitsweise auf. Diese liegen zum Beispiel im Bereich der Human Intelligence (HUMINT), also der Informationsbeschaffung durch menschliche Quellen, oder der Signals Intelligence (SIGINT), also der elektronischen Aufklärung.

Einen solchen Schwerpunkt hat der DI nicht, er agiert stattdessen im Sinne einer All-Source Intelligence, nutzt also alle verfügbaren Quellen für nachrichtendienstliche Informationen. Organisatorisch ist der DI zudem im Gegensatz zu den anderen britischen Diensten direkt einer Behörde, dem britischen Verteidigungsministerium unterstellt.

Derzeit leitet Adrian Bird den Geheimdienst mit insgesamt 4500 Mitarbeitern. Dazu zählen neben Soldaten ebenso zahlreiche zivile Experten. Auch Bird ist Zivilist – der erste an der Spitze des Geheimdienstes.

Weites Aufgabenspektrum in der Auslands- und Inlandsspionage

Die Auslandsaufklärung des DI ist von hoher Relevanz für die internationale Geheimdienstwelt. So beherbergt beispielweise der ehemalige Royal Air Force Standort in Wyton mittlerweile die größte Spionageeinrichtung des Five Eyes-Geheimdienstnetzwerks. Hier werden rund um die Uhr Informationen gesammelt, ausgewertet und weitergeleitet – sowohl an die eigene Regierung als auch an verbündete Geheimdienste.

Britisches Verteidigungsministerium in London: Hier befindet sich das Hauptquartier des DI
[ArildV, CC BY-SA 3.0]

Neben dem zivilen Inlandsgeheimdienst MI5 und dem GCHQ ist auch der DI an der Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit beteiligt. Diese Tätigkeit weist ein weites Spektrum auf, denn neben der klassischen Terrorabwehr unterstützt der DI die britische Polizei informationstechnisch bei ihren Ermittlungen. Mit den Drohnen des DI wurden in der Vergangenheit bereits Mordfälle aufgeklärt.

Wichtige Informationen lieferte der Geheimdienst zum Beispiel auch 2018 bei den Ermittlungen zum Giftanschlag gegen den ehemaligen GRU-Agenten Serge Skripal. Ohne den DI wäre es nicht möglich gewesen, den Spuren des eingesetzten Kampfstoffs Nowitschok derart schnell auf die Spur zu kommen.

Seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine veröffentlicht der DI zudem regelmäßig ausgewählte nachrichtendienstliche Informationen über den Verlauf des Krieges. Dies geschieht sehr zum Unwillen Russlands, welches dem DI daher eine gezielten Desinformationskampagne vorwirft. Ein Geheimdienst also mit langer Geschichte und aktueller Relevanz.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 11.04.2024