Dramatisches Ende einer Spionagemission – Am 23. Januar 1968 kaperte Nordkorea die USS Pueblo

Mitten im Kalten Krieg sorgte die Kaperung eines amerikanischen Spionageschiffs durch Nordkorea weltweit für Schlagzeilen. Der Fall wurde als Pueblo Incident bekannt und führte zu einer Verhärtung der Fronten im Kalten Krieg. Die versteckte Kommunikation der gefangenen Besatzung an die Außenwelt mittels obszöner Gesten verschärfte die Situation zusätzlich.

Spionagemission in asiatischen Gewässern

Das 1944 als Frachter gebaute Schiff wurde ab 1966 durch die US-Marine zum Spionageschiff umgebaut. Ab Mai 1967 war es einsatzbereit und erhielt die offizielle Bezeichnung als Umweltforschungsschiff. Die USS Pueblo kam im Rahmen eines gemeinsamen Programms der US-Marine mit der NSA zum Einsatz, das den Namen Auxiliary General Environmental Research (AGER) trug. Dementsprechend führte die USS Pueblo auch den Namen AGER-2.

USS Pueblo 1967 [US Navy]

Ab Januar 1968 befand sich das Spionageschiff auf Mission in der Koreastraße, einer Meeresdurchfahrt zwischen dem Ostchinesischen Meer und dem Japanischen Meer. Der Auftrag lautete, sowjetische und nordkoreanische Kommunikation und Aktivitäten auszuspionieren. Am 23. Januar nährte sich ein nordkoreanischer U-Boot-Jäger der USS Pueblo. Nachdem sich das Spionageschiff als amerikanisch zu erkennen gab, zwang der U-Boot-Jäger es unter Androhung von Waffengewalt anzuhalten.

Dokumentenvernichtung bei Verfolgungsjagd

Da sich die USS Pueblo nach Einschätzung der Offiziere zu diesem Zeitpunkt außerhalb des nordkoreanischen Hoheitsgebiets befand, versuchte sie zu fliehen. Die Situation verkomplizierte sich, als zusätzlich mehrere nordkoreanische Torpedo-Boote erschienen. An eine Verteidigung der USS Pueblo war nicht zu denken, denn waffentechnisch war sie nur gering ausgestattet. Die Bewaffnung beschränkte sich auf zwei Maschinengewehre, die zudem nicht einsatzbereit waren.

Die für ihre Verfolger viel zu langsame USS Pueblo fuhr Ausweichmanöver, um die Nordkoreaner am Entern des Schiffes zu hindern. Währenddessen begann die amerikanische Besatzung, an Bord befindliches geheimes Informationsmaterial wie Chiffrierunterlagen durch Verbrennen zu vernichten. Allerdings gelang es nicht, alle Geheimunterlagen zu zerstören.

Luftaufnahme der USS Pueblo durch Lockhead A-12 Spionageflugzeug

Nachdem die nordkoreanischen Schiffe begannen, das Feuer zu eröffnen, musste sich die USS Pueblo ergeben. Ein geringer Teil der Unterlagen gelangte so in nordkoreanische Hände. Die Chiffrierunterlagen hatten eine Gültigkeit für die Monate Januar bis März 1968. Aus Sicherheitsgründen wurden jene Einheiten des US-Militärs, die ebenfalls diese Chiffrierunterlagen nutzten, informiert, diese nicht einzusetzen.

Allerdings fanden sich auf dem Schiff auch alte Chiffriertabellen aus den Monaten November und Dezember 1967. Diese ermöglichten es den Koreanern vermutlich, zahlreiche ältere abgefangene Nachrichten der US-Kommunikation zu entschlüsseln.

„Pueblo Incident“ und obszöne Geheimsprache

Schon während der Verfolgungsjagd wurde das zuständige Oberkommando der US-Pazifikflotte informiert. Direkte Aktionen unterblieben aber, um eine diplomatische Eskalation zu verhindern. Bei der gezielten Suche nach dem gekaperten Schiff gelangen einem US-Aufklärungsflieger vom Typ Lockheed A-12 am 26. Januar Aufnahmen der gekaperten USS Pueblo. Damit war der Nachweis erbracht, dass das Schiff sich in nordkoreanischer Hand befand.

Die USS Pueblo wurde in den Hafen der nordkoreanischen Stadt Wŏnsan überführt. Für die US-Besatzung begann nun eine von Hunger und Folter geprägte monatelange Gefangenschaft. Der als Pueblo Incident bekannt gewordene Fall führte zu starken diplomatischen Spannungen. Nordkorea bestand darauf, dass die USS Pueblo in nordkoreanische Hoheitsgewässer vorgedrungen war. Die US-Regierung dagegen beharrte auf ihrer Position, dass das Schiff unrechtmäßig in internationalen Gewässern gekapert wurde.

Time Magazine-Artikel, der die obszönen Gesten der Besatzung verriet, 1968

Besondere Berühmtheit erhielt die Affäre dadurch, dass die Gefangenen auf nordkoreanischen Propagandafotos monatelang mit der als Stinkefinger bekannten Geste, dem ausgetreckten Mittelfinger, zu sehen waren. Die Besatzung protestierte insgeheim mit diesem Symbol gegen ihre Gefangenschaft. Sie hatte herausgefunden, dass die Nordkoreaner die Bedeutung der Geste nicht kannten. Die Amerikaner behaupteten daher, es handele sich um eine hawaiianische Geste für Glück. Ein unbedachter Time-Artikel enthüllte schließlich die wahre Bedeutung der Geste, weshalb es zu Strafaktionen der Nordkoreaner gegen ihre Gefangenen kam.

Erst nachdem die USA schriftlich eingeräumt hatten, dass es sich um ein Spionageschiff handelt und zusagten, auf weitere Spionagemissionen zu verzichten, wurde die Besatzung der USS Pueblo im Dezember 1968 freigelassen. Das Spionageschiff verblieb in Nordkorea. Es wurde zuerst in Wŏnsan und seit 1998 in Pjöngjang öffentlich ausgestellt und propagandistisch genutzt. Gleichzeitig wird die USS Pueblo nach wie vor im Bestand der US-Marine geführt und ist somit derzeit das einzige US-Militärschiff, dass sich in Gefangenschaft befindet.

In Pjöngjang ausgestellte USS Pueblo 2012
[Laika ac from USA, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons]

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 23.01.2022