Geschichte der biometrischen Datenerfassung – Teil 3: Gesichtserkennung

Im Gegensatz zu anderen biometrischen Verfahren lässt sich Gesichtserkennung grundsätzlich auch ohne Hilfsmittel durchführen, da das menschliche Gehirn die Fähigkeit zum Unterscheiden von Gesichtern bereits früh entwickelt.

Allerdings ist die Fähigkeit unterschiedlich stark ausgeprägt: Neben Menschen, die an Prosopagnosie leiden, der Schwäche, Gesichter klar zuzuordnen, gibt es auch Super-Recognizer. Bei diesen ist die Fähigkeit zur Gesichtserkennung so stark ausgeprägt, dass sie sogar von Behörden zu diesem Zweck eingesetzt werden.

Es hat lange gedauert, bis computergestützte Programme in der Lage waren, wirklich effektiv Gesichtserkennung durchzuführen. Mittlerweile aber handelt es sich weltweit um das am häufigsten angewendete biometrische Verfahren.

Der lange Weg zu praktikablen Gesichtserkennungssystemen

In den frühen 1960er-Jahren unternahmen einige Pioniere auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz wie Woody Bledsoe oder Helen Chan Wolf erste Versuche, Gesichtserkennungsprozesse mit Computern zu automatisieren.

Allerdings mussten damals die einzelnen Gesichtskoordinaten noch von einem Menschen erfasst und eingegeben werden. Der Computer war dann in der Lage, anhand dieser Koordinaten Gesichter auf Fotos abzugleichen.

Vom Aufbau gewaltiger Bilddatenbanken, wie man sie heute kennt, war das System also noch weit entfernt. 1970 stellte der japanische Computer-Experte Takeo Kanade das erste Gesichtserkennungsprogramm vor, dass Gesichtskoordinaten ohne menschliche Unterstützung erfassen und abgleichen konnte. Dabei stellte sich jedoch heraus, dass das System noch nicht fehlerfrei arbeitete. Dennoch war das Interesse der Fachwelt geweckt und die Grundlagen für eine automatisierte Gesichtserkennung geschaffen.

Der Durchbruch sollte dennoch noch etwas auf sich warten lassen. In den frühen 1990er-Jahren entwickelte das US-Verteidigungsministerium zusammen mit dem Army Research Laboratory (ARL), dem zentralen Forschungslabor der US-Armee, das Programm FERET (Facial Recognition Technology). Das Ziel war es zu testen, inwieweit sich die Technik für den Einsatz durch Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste eignet.

In dieser Zeit schaffte man es, Gesichtserkennung nicht nur mit Porträtaufnahmen von einzelnen Personen durchzuführen, sondern auch mit Aufnahmen von Menschenmengen. 2001 gelang erstmals die Echtzeit-Gesichtserkennung anhand von Videomaterial.

Gesichtserkennung in der Menge [Symbolbild]

So läuft die Gesichtserkennung ab

Um ein Gesicht für einen Computer „lesbar“ zu machen, erstellt die Software bei den meisten Programmen ein mathematisches Modell aus verschiedenen Datenpunkten. Dazu werden in der Regel zuerst die Augen lokalisiert. Anschließend erfolgt die Berechnung der Gesichtsmerkmale anhand eines Gitternetzes, das über das Gesicht gelegt wird. Das System erfasst besondere Merkmale wie Augen, Nasenflügel, Augenränder sowie Kinn- und Mundpartie.

All diese Merkmale verfügen im Gesicht über bestimmte Abstände und Winkel zueinander. Das System bemisst diese Daten exakt und erstellt auf dieser Basis einen biometrischen Token (Stellvertreter). Wichtig ist dabei, dass es sich um Merkmale handelt, die sich beim Grimassieren nur unwesentlich verändern. Bei jedem neuen Foto oder Video, das Eingang in das System findet, werden die Gesichter entsprechend vermessen und lassen sich so mit den gespeicherten Tokens abgleichen.

Geheimdienste und Gesichtserkennung

Auch Geheimdienste zeigen sich sehr interessiert an Gesichtserkennungssoftware. Schon Unterlagen aus dem Jahr 2011 zeigen, dass die NSA Millionen von Bildern aus dem Internet abspeicherte, um sie zur Gesichtserkennung einzusetzen. Allerdings stellen die modernen Gesichtserkennungsprogramme auch eine Gefahr für Agenten dar, denn diese könnten so im Auslandseinsatz enttarnt werden.

Um dieses Risiko zu vermindern, gab der BND eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Diese sollte feststellen, inwieweit Agenten die Systeme mit einfachen Mitteln täuschen könnten. Vielleicht greifen Agenten in Zukunft auf modische Brillenmodelle zurück, wie sie Forscher an der Carnegie Mellon University zur Täuschung von Gesichtserkennungssoftware entwickelten. Ein Modell einer solchen Brille befindet sich auch im Bereich Gegenwart des Deutschen Spionagemuseums.

Modell der Anti-Gesichtserkennungsbrille der Carnegie Mellon University [Sammlung Deutsches Spionagemuseum]

Datenschützer contra Gesichtserkennung

Datenschützer fürchten, dass Gesichtserkennungsprogramme nicht nur zur Verbrechensbekämpfung, sondern auch zur Massenüberwachung eingesetzt werden könnten. Damit die Programme gut funktionieren, müssen sie auf riesige Datenbanken an gespeicherten Fotos zurückgreifen.

Das Unternehmen Clearview etwa hat eine App entwickelt, mit der sich angeblich jede Person im Internet identifizieren lassen. Clearview verfügt über eine Datenbank, in der über drei Milliarden Fotos gespeichert sind. Diese speist sich aus zahlreichen Quellen, auch solchen privater Natur wie Social Media-Selfies von Facebook oder Twitter.

Dadurch ist diese Gesichtserkennungsdatenbank größer als beispielsweise die des FBI, in der etwa 120 Millionen Amerikaner gespeichert sind.

Datenschützer bemängeln, dass die Mehrheit dieser Bilder ohne Einverständnis der jeweiligen Personen gesammelt wurden. Zumindest in Europa widerspricht das klar der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Demnach müssen biometrische Daten besonders geschützt werden.

Im Zusammenhang mit den amerikanischen Anti-Rassismus-Demonstrationen im Frühjahr 2020 entzogen einige Unternehmen der Polizei die Erlaubnis, ihre Gesichtserkennungssoftware zu nutzen. Zuvor hatten Untersuchungen gezeigt, dass eine spezielle Gesichtserkennungssoftware bei Personen mit schwarzer Hautfarbe deutlich häufiger fehlerhafte Ergebnisse ausgab, als bei Personen mit weißer Hautfarbe. Der aus der massiven öffentlichen Kritik zu erwartende Imageschaden hat die Unternehmen dazu veranlasst, der Polizei die Nutzung ihrer Technik zu untersagen.

Längst sind Strafverfolgungsbehörden ohnehin nicht mehr die Hauptabnehmer. Die Software lässt sich vielseitig anwenden und kommt zum Beispiel als Authentifizierungsmethode bei der Entsperrung von Smartphones, bei Bezahlsystemen oder bei der Personalisierung von Werbung zum Einsatz.

Das Geschäft blüht: Experten gehen davon aus, dass der Markt von 3,2 Milliarden Dollar im Jahr 2019 auf bis zu 7,0 Milliarden Dollar im Jahr 2024 wächst.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 09.10.2020