Rückblick: Der Schutz unserer Daten. Axel Voss vs. Ulrich Kelber

Daten sind die Währung und der Treibstoff der digitalen Welt. Daten müssen geschützt, aber auch genutzt werden. Dazu braucht es moderne und an das digitale Zeitalter angepasste Regeln. Das gilt beim Schutz unserer Daten ebenso wie bei einem zeitgemäßen Urheberrecht. Immerhin in diesem Punkt konnten sich der Beauftragte des Bundes für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Ulrich Kelber und der Abgeordnete im Europäischen Parlament Axel Voss bei einer Podiumsdiskussion im Deutschen Spionagemuseum einigen.

Die von der erfahrenen ARD-Journalistin Ariane Reimers sachkundig gelenkte Debatte hatte zwei Eckpunkte: Die 2018 verabschiedete Europäische Datenschutzgrundverordnung (DGVSO) und die im April 2019 angenommene EU-Urheberrechtsreform. Beides Themen, so merkten Voss und Kelber an, für die sich noch vor Jahren kaum jemand interessierte, geschweige denn, dass es zu hitzigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit gekommen wäre. Doch weit gefehlt.

Bombendrohungen und das Urheberrecht

Um beides wurde emotional und oftmals weit unter der Gürtellinie gestritten. Axel Voss wurde zum „meistgehassten Mann des Internets“ und erhielt Bombendrohungen. Er soll sich zeitweise nur noch mit schusssicherer Weste in die Öffentlichkeit gewagt haben.

Der Grund: die von ihm mitbegleitete Reform des Urheberrechts sieht die Verpflichtung von Uploadplattformen zur Überprüfung von Inhalten auf Urheberrechtsverstöße vor. Bei den Massen an Uploads, die zum Beispiel die Onlineplattform YouTube jeden Tag bewerkstelligt, ist dies nur noch automatisiert per Software möglich.

Der Begriff „Uploadfilter“ war geboren. Er brachte Voss nicht nur einen Shitstorm, sondern auch einen Zensurvorwurf ein. Voss selbst sieht sich dabei vollkommen falsch verstanden, gibt jedoch Fehler in seiner eigenen Kommunikation zu.

Recht bekam er von Ulrich Kelber nicht nur darin, dass die Gewaltdrohungen gegen ihn vollkommen unangebracht waren. Wichtig sei, das gab auch Kelber zu, dass die dringend notwendige Urheberrechtsreform eine lose-lose-lose-Situation für User, Plattformen und Urheber sei.

Problematik bei YouTube und anderen Uploadplattformen

Das in der analogen Welt entstandene Urheberrecht sei einfach nicht 1:1 in die digitale Welt übertragbar. Voss mahnte alle – User, Plattformen und Urheber – zu Kompromiss- und Verzichtsbereitschaft. „Ohne Abstriche können wir nur eines haben – Uploadplattformen oder Urheberrecht, aber nicht beides“, so Voss.

„Uploadfilter“ und Zensur habe er ferner nie gefordert. Stattdessen geht es allein darum, die Verpflichtung von Plattformen, Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen zu untersuchen.

Dabei kommt es jedoch zu einem Dilemma: Die gigantischen Datenmengen könnten nur von Hunderttausenden Mitarbeitern oder aber automatischen Software-Lösungen bearbeitet werden. Ersteres würde hohe Kosten verursachen und das Geschäftsmodell von Plattformen wie YouTube unmöglich machen.

Software aber kann zum Beispiel viel schwerer zwischen Satire oder ernsten Inhalten unterscheiden und so zu fehlerhaften Blockaden führen. Dass er sich mit der „Voss-Reform“ genau in dieses Schussfeld begeben hatte, in dem politisch kaum etwas zu gewinnen war, sei ihm selbst auch nicht von Anfang an bewusst gewesen.

Das „Monstrum“ Datenschutzgrundverordnung DSGVO

Ist Voss ein Unterstützer der Urheberrechtsreform und Kelber ein Gegner, so verhält es sich bei der Datenschutzgrundverordnung genau andersherum. Dieses 2018 von der EU beschlossene Gesetzeswerk setzte einen europaweiten rechtlichen Rahmen für die Erhebung, Sammlung und Benutzung persönlicher Daten.

Damit gab die EU den Staaten einen Wegweiser für rechtliche Regelungen vor. Diese sollten Gesetzeswerke reformieren, die noch rein für analoge Bedürfnisse gemacht waren. Mit digital gesammelten Informationen wurden, so Kelber, jahrelang Sachen gemacht, die in der analogen Welt nicht nur schockieren, sondern auch Polizeieinsätze hervorrufen würden.

Nicht nur die Urheberrechtsreform, sondern auch die Entstehung der DSGVO sei, so Kelber, nahezu hysterisch aufgenommen worden. Vereine und kleine und mittelständische Unternehmen würden an dem Bürokratiemonstrum kaputtgehen. Die Unsicherheit würde auch Wirtschaft und Politik treffen. Nichts davon sei zwei Jahre später Realität geworden.

Behinderungsinstrument oder internationales Vorbild?

Axel Voss sieht die DSGVO hingegen kritisch. Während der Schutz persönlicher Daten wichtig und natürliche Voraussetzung für die Wahrung der Demokratie sei, sei die Umsetzung in der Verordnung ein „Behinderungsinstrument für die digitale Wirtschaft in Europa“.

Während die USA und China mit gänzlich anderen bzw. keinen Datenschutzvorgaben operieren, behindere die DSGVO, dass eine europäische Digitalwirtschaft den Anschluss halten könne.

Das führt am Ende dazu, dass nur noch ein chinesischer oder vier amerikanische Anbieter für bestimmte Onlinegeschäfte zur Verfügung stünden. Am Ende wäre der Datenschutz dabei der große Verlierer.

Prestigeobjekt KI

Als Beispiel nannte Voss die Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI), für die Daten lebenswichtig sind. Wenn diese nicht genutzt werden können, wird es auch keine europäischen Entwicklungen in der KI geben. Dies müssten Datenschutzgesetze berücksichtigen und flexibler vorgehen. Zu Beispiel, indem sie die Nutzung anonymisierter oder pseudonymisierter persönlicher Daten ermöglichen.

Ulrich Kelber hingegen sprach davon, dass sich Bürger ihre Daten von Unternehmen zurückerkämpft hätten. Darüber hinaus zeige die Reform eine enorme internationale Strahlkraft. Hunderte von Staaten überall auf der Welt hätten mittlerweile eigene Datenschutzregeln erlassen. Dies sei teilweise dadurch bedingt, dass der Handel mit der EU nur mit entsprechenden Datenschutzgesetzen weiter möglich ist. Die EU hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen.


Ob Datenschutz, Uploadfilter oder Smart Home – das Deutsche Spionagemuseum bleibt weiter dran an spannenden Entwicklungen rund um die Themen Spionage, Geheimdienste, Daten und Informationen! Am 23. April 2020 zum Beispiel mit einer Diskussion über „Spy-Apps“ (mehr dazu im neuen, bald erscheinenden Veranstaltungsprogramm).

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 11.03.2020