Rückblick: Die Kießling Affäre

Die Affäre um Günter Kießling, deutscher Vier-Sterne-General und stellvertretender NATO-Oberbefehlshaber in Europa, entwickelte sich 1984 zum größten Skandal der Bundeswehr. Der zu Unrecht der Homosexualität Verdächtigte wurde erst entlassen und musste wiedereingestellt werden, nachdem sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen hatten.

Auch der militärische Geheimdienst MAD bekleckerte sich damals nicht gerade mit Ruhm und blamierte sich mit Falschinformationen. Mit bislang unbekannten Quellen und ungehörten Zeitzeugen rekonstruierte Heiner Möllers die Hintergründe des damaligen Geschehens in seinem Buch „Die Affäre Kießling – Der größte Skandal der Bundeswehr“. Am 25. April 2019 stellte er sein Buch im Deutschen Spionagemuseum vor.

Haltlose Vorwürfe zu Kießlings Liebesleben

Zusammen mit Moderator Helmut Müller-Enbergs schritt Möllers dabei thematisch den gesamten Werdegang der Affäre ab. Schon bei der einleitenden Lebensgeschichte Kießlings wurde schnell klar, dass es nie hätte zu dem Skandal kommen dürfen. Zwar war Kießling eher ein Einzelgänger und absoluter Vollblutsoldat, konnte also nicht mit dem gesellschaftlich üblichen Familienleben aufwarten. Aber allen Personen, die mit ihm zusammenarbeiteten, wurde schnell klar, dass an den Gerüchten um eine vermeintliche Homosexualität, die es schon länger gab, nichts dran sein konnte.

Tatsächlich gab es eine ganze Reihe an Frauengeschichten. Kießling flog wegen einer solchen sogar aus der Generalstabsausbildung. Möllers Urteil war klar: Wenn man sich die Lebensgeschichte Kießlings betrachtet, lässt sich der Vorwurf der Homosexualität getrost als weltfremd bezeichnen.

Voreingenommenheit und Geltungssucht bildeten Grundlage der Affäre

Warum aber hielten sich die Gerüchte so hartnäckig und waren letztlich ausschlaggebend für den Skandal? Möllers brachte es klar auf den Punkt: Schwammiges Hörensagen, gepaart mit persönlicher Voreingenommenheit und Geltungssucht bildeten die auslösenden Momente, nicht Fakten und gewissenhafte Recherche.

Dabei waren zwei Personen maßgeblich beteiligt. Zum einen Bernard William Rogers, der als Supreme Allied Commander Europe Kießling vorgesetzt war. Er lehnte aufgrund der Gerüchte eine Zusammenarbeit mit diesem ab. Zum anderen Ministerialrat Werner Karrasch, der das Gerücht in höhere Regierungskreise trug. Er war es, der den Stein der Nachforschungen ins Rollen brachte. Die dabei auch durch den MAD erbrachten vermeintlich hieb- und stichfesten Beweise erwiesen sich bei der späten Überprüfung als haltlos. Die von Verteidigungsminister Wörner veranlasste Entlassung Kießlings musste kurz darauf rückgängig gemacht werden.

Neben den vielen menschlichen Fehlern, die die Affäre auslösten, ist die Affäre Kießling auch davon geprägt, dass nur sehr wenige der verantwortlichen Personen Konsequenzen zu spüren bekamen. Kießling selbst wurde kurz nach seiner Wiedereinstellung mit einem großen Zapfenstreich in den Ruhestand verabschiedet. Er äußerte sich tief enttäuscht von den Ereignissen. Der Aufklärung um die Hintergründe der Kießling-Affäre, die lange im Halbdunkel lagen, ist Heiner Möllers mit seinem Buch einen großen Schritt nähergekommen.


In der nächsten Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum am 23. Mai 2019 diskutieren Michael Fischer, Leiter Verfassungsschutz Berlin, und die Bundestagsabgeordnete Renate Künast über Vergangenheit und Zukunft des Berliner Verfassungsschutzes.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 30.04.2019