Rückblick: Stasi 2.0? Zum Verhältnis von Demokratie und Geheimdienst

Gipfeltreffen im Deutschen Spionagemuseum: Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Dr. Bruno Kahl diskutierte mit dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn über das Spannungsverhältnis von Demokratie und Geheimdienst.

Das Stasi-Erbe trifft auf den BND, Massenüberwachung Andersdenkender auf die Gewährleistung der Sicherheit der deutschen Demokratie. Fachkundig und redegewandt durch den Abend leitete der Geheimdienst-Experte und Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung Georg Mascolo.

Deutsche Nachrichtendienste und die Vergangenheit

„Stasi 2.0“, „Stasi-Überwachungsstaat“ oder „Stasi-Methoden“ sind nur einige Vergleiche, die oft gezogen werden, wenn es um deutsche Nachrichtendienste geht. Doch woher kommt die Angst in der deutschen Gesellschaft vor Geheimdiensten und was bedeutet das für den Auslandsnachrichtendienst BND?

Die historische Belastung aus NS-Zeit und der kommunistischen Diktatur sahen beide Diskutanten als schwere Hypothek für die Rolle und Arbeit von Nachrichtendiensten in Deutschland. Hinter sich gelassen habe der BND jedoch seine Ursprünge aus der Organisation Gehlen, den NS-Belastungen des Dienstes und einer aktiven Inlandsspionage, so Kahl.

Freiheitliches Verständnis nachrichtendienstlicher Beschränkungen

Roland Jahn, selbst Opfer repressiver Maßnahmen der Stasi, mahnte an, dass die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit in einer liberalen Demokratie immer wieder aufs Neue zu verhandeln sei. Politik und Nachrichtendienste müssten dabei auch die Bürger und die Öffentlichkeit „mitnehmen“. Ohne Freiheit ist letztendlich auch die größte Sicherheit nicht lebenswert, so Jahn.

Diesem freiheitlichen Verständnis nachrichtendienstlicher Beschränkungen konnte auch BND-Präsident Kahl einiges abgewinnen. Der BND tue einiges dafür, öffentliches Vertrauen zu erhalten und seine mitunter heikle Arbeit im Sinne des Grundgesetzes und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung durchzuführen.

Journalistische Fehlgriffe behindern Geheimdienst-Arbeit

Durchaus kritischer diskutierten Kahl, Jahn und Mascolo die öffentliche Kritik des BND-Präsidenten an dem journalistischen Vorgehen im Zuge des jüngsten Hacker-Angriffs auf das Auswärtige Amt. Voreilige Veröffentlichungen hatten dazu geführt, dass die Täter nicht ausfindig und der Angriff nicht ausreichend aufgeklärt konnten.

Jahn und Mascolo wollten dabei kein generelles Berichtsverbot im Sinne einer Selbstzensur von Journalisten gelten lassen. Wenngleich auch sie Sicherheitsinteressen durchaus als Grund anerkannten, um eine Berichterstattung zeitlich zu verschieben.

Aktuellere Fragen standen auch im Mittelpunkt der Publikumsdiskussion. Ein reges Interesse zeigte sich an der Akteneinsicht beim BND-Archiv und dessen Sperrfristen. Der jüngste Hacker-Angriff hingegen rief Zweifel an der Kompetenz und Handlungsfähigkeit deutscher Behörden auf diesem Gebiet hervor. Kahl beruhigte hier, ohne sich Illusionen über eine hundertprozentige Sicherheit zu machen.

Ein erheiternder Abschluss der Diskussion bot sich, als nach den Witzen gefragt wurde, die der BND während des Kalten Krieges über die DDR sammelte. Eine Freigabe bis auf den letzten Witz wurde gefordert, da offensichtlich in der 2015 vorgelegten Sammlung von Hans-Hermann Hertle und Hans-Wilhelm Saure nicht alle Witze mit einbezogen wurden. „Manche Witze sind eben einfach zu geheim“, scherzte BND-Präsident Kahl. Er versprach, auch den letzten DDR-Witz aus dem BND-Archiv zu befreien.

Eine gelungene Debatte über das Stasi-Erbe und das Spannungsverhältnis zwischen Demokratie und Nachrichtendiensten. Das Deutsche Spionagemuseum freut sich auf weitere spannende Diskussionen in unserer Reihe „Demokratie und Geheimdienst“.


In der nächsten Veranstaltung besucht der letzte aufgedeckte KGB-Agent in den USA die Hauptstadt der Spione. Am 13. März 2018 stellt Jack Barskey seine Biografie vor und berichtet aus seinem Leben.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 09.03.2018