Rückblick: „Keine Neue Gestapo“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die NS-Vergangenheit

Die Historiker Constantin Goschler und Michael Wala haben die ersten 25 Jahre des Bundesamtes für Verfassungsschutz erforscht. Dabei hatten sie Zugang zu vielen bislang geheimen Akten. Das aus dieser Arbeit entstanden Buch „Keine neue Gestapo – Das Bundesamt für Verfassungsschutz und die NS-Vergangenheit“ beleuchtet nicht nur den im Titel genannten Aspekt. Auch die Handlungsspielräume des Verfassungsschutzes unter alliierter Kontrolle, seine Rolle im Kalten Krieg und bei der „Inneren Sicherheit“ sowie seine zahlreichen Skandale werden erläutert.

Historiker und BfV-Präsident im Deutschen Spionagemuseum

Bei der Präsentation ihrer Forschungsergebnisse im Deutschen Spionagemuseum am 4. Juli 2017 erhielten die Historiker Unterstützung durch ihren Auftraggeber, den Präsidenten des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen. Michael Wala führte in die Entstehung des Verfassungsschutzes sowie dessen frühe personelle Entwicklung ein. Diese wurde dadurch geprägt, dass man sich bei der Wahl des Gründungspräsidenten nicht für den Wehrmachts-Offizier Reinhard Gehlen, sondern für den Widerstandskämpfer Otto John entschied.

Constantin Goschler schilderte dann, wie sich der Verfassungsschutz in den folgenden Jahrzehnten an die gesellschaftlichen Entwicklungen und neue Bedrohungsszenarien anpassen musste. Früher sei es vor allem um den Staatschutz gegangen, also die Abwehr von politischen Angriffen gegen den Staat. Dieses Verständnis wandelte sich mit den Jahren dahingehend, dass eher der Schutz der Gesellschaft Vorrang habe. Die innere Sicherheit sollte die Grundlage für die Entfaltung der freien Rechte der Bürger sein.

Diskussion um vergangene und aktuelle Entwicklungen des BfV 

Im Anschluss stellte Hans-Georg Maaßen dar, dass der Verfassungsschutz bei seiner Gründung vor allem ein Ziel hatte. Dieses bestand darin, dass der neue Inlandsnachrichtendienst auf keinen Fall irgendwelche Verknüpfungen mit der Gestapo aufweisen. sollte Daher wertete er die Trennung von nachrichtendienstlichen und polizeilichen Aufgaben – die bei der Gestapo miteinander verschmolzen – als elementare strukturelle Grundlage seiner Institution.

In der folgenden Diskussionsrunde mit dem Publikum kamen unter anderem die aktuellsten Entwicklungen um die NSU-Affäre zur Sprache. Maaßen musste sich dem Vorwurf stellen, der Verfassungsschutz finanziere mit seinem System aus V-Personen auch gesellschaftsfeindliche Netzwerke. Der BfV-Präsident legte die aus seiner Sicht bestehende Notwendigkeit eines solchen Systems bei der Durchdringung radikaler Strukturen dar. Ein Ersatz durch eingeschleuste Spezialagenten sei komplizierter, risikoreicher und weniger erfolgsversprechend.

Der angeregte Austausch zwischen Publikum, Historikern und Verfassungsschutzpräsident zeigte deutlich, dass die zunehmende Transparenz und Öffnung des Verfassungsschutzes gegenüber der Öffentlichkeit angenommen wird. In diesem Sinne sind auch weitere Veranstaltungen des Deutschen Spionagemuseums mit dem Verfassungsschutz geplant.


Die nächste Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum am 13. Juli 2017 behandelt eine ähnliche Thematik. Hans-Georg Wieck, ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes, und der Geheimdienstforscher Wolfgang Krieger diskutieren das Verhältnis von Demokratie und Geheimdienst.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 06.07.2017