Spionage-Jahresrückblick 2016

Wie zu jedem Jahreswechsel sind die Medien voll von Jahresrückblicken über die allgemeinen internationalen Geschehnisse. Zeit also auch für das Deutsche Spionagemuseum, einen speziellen Blick auf die Entwicklungen in der Welt der Spionage im Jahr 2016 zu werfen.

Meldungen über enttarnte Spione

Gleich zu Beginn des Jahres gab es zwei Meldungen über enttarnte Spione. Im Februar wurde dem Friedensnobelpreisträger Lech Walesa aufgrund neu entdeckter Dokumente vorgeworfen, er habe zur Zeit des kommunistischen Regimes für den polnischen Geheimdienst gearbeitet. Walesa selbst bestreitet die Vorwürfe energisch.

Im März wurde ein ehemaliger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Er hatte brisante BND-Dokumente an amerikanische und russische Geheimdienste weitergegeben. Zu den Dokumenten gehörten unter anderem eine Datenbank mit Tarn- und Klarnamen deutscher Agenten im Ausland. Als Motiv gab der Mann Langeweile und Frust am Arbeitsplatz an.

Sex und Liebe zur Informationsgewinnung

Trotz aller technischen Entwicklungen und den noch folgenden Meldungen über Cyber-Spionage: Eine der ältesten Spionage-Methoden, namentlich der Einsatz von Sex und Liebe zur Informationsgewinnung, erfreut sich immer noch großer Beliebtheit. Im April veröffentlicht die chinesische Regierung einen Comic, in dem sie ihre Landsleute vor Beziehungen mit Ausländern warnt, da diese Spione sein könnten. Der Comic wird vom chinesischen Ministerium für Staatssicherheit produziert und soll in allen Behörden ausgehängt werden.

Doch auch China selbst scheint die Liebes-Spionage für sich zu nutzen, denn im Oktober vermelden die Zeitungen, dass der niederländische Botschafter in China eine Affäre mit einer chinesischen Botschaftsangestellten eingegangen sein soll, die unter Spionageverdacht stehe. Schon letztes Jahr hatte zudem der britische Geheimdienst MI6 den Verdacht geäußert, dass vermehrt gutaussehende chinesische Geheimagentinnen auf pensionierte MI6-Beamte angesetzt worden sind.

Hacker im Spionage-Einsatz

Im Gegensatz zu den Liebens-Spionen, die es schon seit Jahrtausenden gibt, sind Hacker im Spionage-Einsatz eine Erscheinung der Gegenwart. Immer wieder im Jahresverlauf machten Meldungen über die Hacker der russischen Geheimdienste die Runde. Im Juni etwa mehrten sich Hinweise, dass das sogenannte Cyber-Kalifat des Islamischen Staates (IS) eine Erfindung sei und Cyber-Angriffe wie zum Beispiel auf das amerikanische Außenministerium und saudische Sicherheitsbehörden im Februar 2016 unter falscher Flagge von russischen Hackern ausgeführt worden sind.

Die verschiedenen russischen Geheimdienste verfügen angeblich über etwa 4000 Cyber-Agenten. Kurz nach dem Wahlsieg von Donald Trump beschuldigte die CIA zudem russische Hacker, sie hätten zu Trumps Gunsten in den US-Wahlkampf eingegriffen. Als Reaktion hat die US-Regierung unter anderem 35 russische Diplomaten des Landes verwiesen. Die offiziellen Stellen in Russland haben alle Vorwürfe aus dieser Richtung von sich gewiesen.

BND-Spionageskandale

Der Skandal um die Beteiligung des deutschen Auslandsnachrichtendienstes BND an den aufgedeckten Spähaktionen des amerikanischen Geheimdienstes NSA währt nun schon ein paar Jahre. Wiederholt hatte der BND dabei seine rechtlichen Befugnisse überschritten. Auch in diesem Jahr kam es diesbezüglich zu weiteren Enthüllungen. Im Oktober beschloss der Bundestag nun das BND-Gesetz, das zum Ziel hatte, dem deutschen Auslandsnachrichtendienst neue Regeln zu geben. Damit wollte die Regierung eigentlich das Kapitel um die BND-Spionageskandale abschließen.

Kritiker bemängeln allerdings, dass das Gesetz stattdessen dazu diene, die aufgedeckten Rechtsbrüche des Geheimdienstes in Zukunft zu legitimieren. So würde es beispielsweise mehr Massenüberwachung ermöglichen und gleichzeitig die parlamentarische Kontrolle der Tätigkeiten des BND reduzieren.

Spionagegesetz in Großbritannien

In Großbritannien geht die Regierung sogar noch weiter. Von vielen Deutschen unbemerkt, aber vielleicht als Zeichen einer Tendenz zur zunehmenden Überwachung und Datenspeicherung zu werten ist die Tatsache, dass dort im November ein weitreichendes Spionage-Gesetz erlassen wurde. Der Erlass unter dem Namen Investigatory Powers Bill (IP Bill) legalisiert eine massive Art der Vorratsdatenspeicherung. Er wird daher auch oft spöttisch Snooper’s Charter genannt.

Unter anderem müssen demnach alle Telefon- und Internetanbieter die Verbindungsdaten ihrer Kunden zwölf Monate lang aufbewahren. Dazu gehören aufgerufene Internetseiten, genutzte Apps und ähnliches. Durch Antragstellung können die Sicherheitsbehörden auf diese Daten zugreifen. Auch darf die Polizei nun im Rahmen der Strafverfolgung Computer etwa mit Trojanern infiltrieren oder Smartphones hacken.

Spionage in den Medien

Natürlich wurde das Thema Spionage in den Medien auch im Jahr 2016 häufig aufgegriffen. Der herausragende Film zu diesem Thema ist die US-Produktion Snowden. Sie setzt sich mit dem berühmten Whistleblower-Skandal aus dem Jahr 2013 auseinander. Die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über ausgespähte private E-Mails und sonstigen Möglichkeiten, die sich den Geheimdiensten durch das Internet eröffnen, haben vielen Menschen die Augen geöffnet, dass Datenschutz in der heutigen Zeit nicht natürlich gegeben ist.

Auch eine deutsche Produktion, die sich dem Thema Spionage widmet, erhielt dieses Jahr internationale Aufmerksamkeit. Die Serie Deutschland 83 wurde bei den diesjährigen International Emmy Awards als beste Dramaserie ausgezeichnet.

Zusammefassung Spionage 2016

Der Überblick über einen Teil der Spionage-Entwicklungen des Jahres 2016 zeigt, wie vielschichtig und aktiv dieses Thema ist. Eine vollständige Auflistung jedoch würde den Rahmen dieses Blog sprengen. Klassische menschliche Agenten und uralte Spionage-Methoden treffen auf moderne Cyber-Attacken. Die Medienlandschaft arbeitet die Ereignisse in aufklärender oder unterhaltsamer Weise in unzähligen Formaten – Artikel, Bücher, Serien, Filme – auf.

Dennoch gilt selbst bei der Fülle an Informationen, die es zu diesem Thema gibt, immer: Wir sehen wohl nur die Spitze des Eisbergs. Die meisten Aktionen werden vermutlich erst in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten das Licht der Öffentlichkeit erblicken – oder auch für immer geheim bleiben. Wir sind gespannt, welche Geheimnisse 2017 ans Licht der Öffentlichkeit kommen und werden die Freunde und Besucher des Deutschen Spionagemuseums natürlich stets auf dem Laufenden halten.

Guten Rutsch und bleiben Sie wachsam!

Autor: Robert Rückel

Veröffentlicht am: 31.12.2016