Mit dem Flughafen Tegel endet auch ein Stück Berliner Spionage-Geschichte

Seit dieser Woche ist der Flughafen Berlin-Tegel „Otto Lilienthal“ für den Flugverkehr geschlossen und wird in Zukunft neuen Nutzungen entgegensehen. Seit dem frühen 20. Jahrhundert wurde der Bereich des Flughafens luftfahrtechnisch genutzt.

Wie sollte es daher in der Hauptstadt der Spione auch anders sein: In diesem langen Zeitraum finden sich natürlich Verbindungen zur Welt der Spionage. Wir zeigen euch einige der weniger bekannten Seiten aus der Geschichte des Tegeler Flughafens.

Militärische Aufklärungseinheiten und geheime Raketentests

Im Ersten Weltkrieg (1914-1918) nutzte das deutsche Militär das Gebiet des späteren Tegeler Flughafens, um dort Feldschiffertruppen auszubilden. Die Aufgabe dieser Einheiten bestand in der Aufklärung der feindlichen Gefechtsaktionen mittels spezieller Fesselballone. Aus dieser gehobenen Arbeitsposition hatten sie eine gute Übersicht. So ließ such auch weit entferntes Geschehen beobachten.

Eine solche Art der Spionage aus der Luft kam bereits seit dem 19. Jahrhundert zum Einsatz. Sie erfuhr im Ersten Weltkrieg aber eine bedeutende technische Neuerung: Damit die Erkenntnisse schnellstmöglich an die Kommandostände weitergegen werden konnten, verfügten die Fesselballons über Fernsprecheinrichtungen.

Deutscher Fesselballon in Frankreich 1916
[Europeana 1914-1918, CC BY-SA 3.0]

Die Beobachtung erfolgte von festen Plätzen aus, die Ballons waren am Boden vertäut (daher auch der Name Fesselballon im Gegensatz zu einem Freiballon). Solche Beobachtungsposten verfügten in der Regel nur über eine Besatzung von einer, selten zwei Personen. Sie kamen vor allem an der Westfront zum Einsatz. Einerseits ging es darum, die Bewegungen des Feindes zu beobachten, andererseits die Wirkung der eigenen Geschütze festzustellen und deren Ausrichtung zu optimieren.

Gefährlicher Arbeitsplatz

Die Arbeit war nicht ungefährlich: Dem Gegner war die Relevanz der so gesammelten Information bewusst. Aus diesem Grund setzte er alles daran, seine Widersacher über die Bewegung seiner Truppen im Dunkeln zu lassen. Er versuchte also mit Waffengewalt, die Ballone außer Gefecht zu setzen.

Zum Schutz der Ballons wurden diese in einer Höhe von über 400 Metern und damit außerhalb der Reichweite der meisten feindlichen Artillerie installiert. Jagdflieger sollten zudem gegen den Angriff feindlicher Flieger schützen. Die Informationen, die durch die Feindesaufklärung mittels der Fesselballons gesammelt wurden, spielten eine relevante Rolle für die Kommandostäbe im Ersten Weltkrieg.

Aufgrund des Versailler Vertrages wurde eine Nutzung des Areals in Tegel für Luftstreitkräfte nach dem Ersten Weltkrieg untersagt. 1930 erfolgte daher die Einrichtung eines Raketenflugplatz. Auf diesem fanden teilweise unter hoher Geheimhaltung auch Tests mit neuartiger Raketentechnik, den sogenannten Flüssigraketen, statt.

Die Entwicklung solcher Raketensysteme galt als Schlupfloch im Versailler Vertrag, da diese dort nicht explizit verboten wurden. Das Heereswaffenamt bezuschusste das Projekt heimlich mit 5000 Mark.

Raketenpioniere (u.a. Rudolf Nebel und Klaus Riedel) 1930 auf dem Raketenflugplatz Berlin
[Unknown author, CC BY-SA 4.0]

An dem Versuchen beteiligten sich einige der bedeutendsten Pioniere der Raketentechnik an welche bis heute Reliefportraits in der Haupthalle des Flughafens erinnern. Unter anderem gehörten dazu Rudolf Nebel und Wernher von Braun.

Später verlagerte man die Raketenversuche in die neu gegründete Heeresversuchsanstalt Peenemünde. Dort entwickelte Wernher von Braun unter anderem die von den Alliierten gefürchteten Aggregat 4/V2-Raketen. Diese waren die ersten funktionsfähigen Großraketen mit Flüssigkeitstriebwerk.

Stasi-Spionage gegen das „Feindobjekt“ Tegel

Als internationaler Flughafen und „Tor zum Westen“ interessierte sich die Staatssicherheit der DDR während des Kalten Krieges aus einer Vielzahl von Gründen für die Vorgänge am Tegeler Flughafen. Durch eingeschleuste Inoffizielle Mitarbeiter (IM) wurden zum Beispiel die Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen ausspioniert. Dadurch ließ sich bewerten, mit welchen Kontrollen Agenten bei der An- und Abreise zu rechnen hatten. So hoffte das MfS die Gefahr einer Enttarnung zu reduzieren.

Insgesamt waren laut den Ergebnissen der BStU-Forschungen mindestens sechs Hauptabteilungen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) am Tegeler Flughafen tätig – jede mit einem anderen Arbeitsschwerpunkt. An vielen neuralgischen Punkten fanden sich IMs, auch bei der Passkontrolle.

Flughafengebäude und Flugfeld in Tegel

Die gesammelten Informationen wurden akribisch erfasst. Die umfangreiche Akte zum „Feindobjekt“ Tegel beinhaltet Grundrisse, Alarmpläne und Fotodokumentationen über das Gebäude. Von besonderem Interesse für die Staatssicherheit war auch der militärisch genutzte Teil des Tegeler Flughafens. Hier gab es Einblicke in die Tätigkeiten der stationierten Amerikaner und Franzosen.

Die Überwachung des Flughafens startete nach den erhaltenen Unterlagen in den 1960er-Jahren. Der letzte Eintrag – ein abgehörtes Telefongespräch – datiert vom 7. Dezember 1989. Nicht lange danach wurde das MfS am 31. März 1990 im Zuge der Entwicklungen der Wende aufgelöst. Der Tegeler Flughafen hatte da noch 30 arbeitsreiche Jahre vor sich.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 11.11.2020