Am 7. September 1978 wurde der bulgarische Dissident Georgi Markow in London Opfer eines Giftanschlags. Kurz vor seinem Tod berichtete Markow dem behandelnden Arzt, er sei vom KGB vergiftet worden und erwähnte einen Mann mit Regenschirm. Tatsächlich fand sich späte bei der Obduktion eine winzige Kugel in Markows Oberschenkel. Mit dieser war das tödliche Gift Rizin in den Körper des Opfers gelangt.
Fachleute griffen die dürftigen Informationen auf und rekonstruierten als mögliches Tatobjekt einen zur Giftwaffe umgebauten Regenschirm. Aufgrund dieser Theorie wurde das Ereignis als “Regenschirmattentat” weltbekannt. Eine Rekonstruktion des Giftregenschirms ist im Deutschen Spionagemuseum zu sehen.
Am Griff befindet sich der Auslöseknopf, in der unteren Hälfte des Schirms ein Zylinder mit komprimiertem Gas und an der Spitze eine Injektionsnadel. Der ausgelöste Gasdruck sollte dafür sorgen, dass die winzige Giftkugel in den Körper des Opfers geschossen wird, nachdem die Nadel die Kleidung und die ersten Hautschichten durchdrungen hatte.
Die außergewöhnliche Konstruktion des “bulgarischen Regenschirms” ist so faszinierend, dass diese Theorie lange Zeit als die wahrscheinlichste Lösung des mysteriösen Mordes angesehen wurde. Auch heute noch ist sie in vielen Publikationen zu finden.
Doch die neusten Erkenntnisse von Scotland Yard weisen in eine andere Richtung. Demnach scheidet der Regenschirm als Tatwaffe wohl aus. Stattdessen kam vermutlich eine kleinere, handlichere Waffe beim Verabreichen der Giftkügelchen zum Einsatz. Und statt der lange angenommen Einzeltätertheorie gehen die Ermittler nun davon aus, dass ein ganzes Attentatsteam am Werke war.
Die Umstände des Mordes erscheinen also heute in einem neuen Licht. Die Urheber dagegen sind schon lange bekannt: Der bulgarische Geheimdienst war es, der den unliebsamen Regime-Kritiker Markow mit Hilfe des KGB beseitigte.
Auch wenn er also in der gezeigten Form vielleicht nie zum Einsatz kam, ist der Giftregenschirm ein faszinierendes Exponat. Außerdem ist er ein Beispiel dafür, dass Geheimdienstgeschichte ständig neu hinterfragt und analysiert werden muss. Tatsachen, die vor kurzem noch logisch und unumstößlich erscheinen, geraten im Licht neuer Erkenntnisse rasch ins Wanken.