Rückblick: Die Tote im Wannsee – Ein 1968er-Krimi

Eine Buchvorstellung der anderen Art erlebten die Besucher der Autorenlesung des frisch erschienenen Krimis „Die Tote im Wannsee“ im Deutschen Spionagemuseum.

Anstatt nur die Entstehung und Handlung des Buches wiederzugeben, ermöglichten die Autoren auch spannende Einblicke in Lebens- und Gedankenwelt der späten 1960er-Jahre.

Autoren-Kollektiv stellt sich vor

Wie sich bereits früh am Abend herausstellte, gestaltete sich schon die Arbeit am Buch im Geiste der 1968er. Auch wenn der Name auf dem Buchcover – Lutz Wilhelm Kellerhof – wie der einer einzigen Person erscheint, verbirgt sich dahinter ein Kollektiv.

Der Autor Uwe Wilhelm hat sich mit dem Journalisten Martin Lutz und dem Historiker Sven Felix Kellerhof zusammengetan, um endlich mal ein Buch zu schreiben. Das Ziel war es, atemberaubende Spannung, regionale und szenische Recherche sowie geschichtliches Know-how zu vereinen.

Passenderweise kam die Entstehung dieses Kollektivs durch die gemeinsame Liebe zu ausgedehnten nächtlichen Diskussionen und Musik auf Vinyl-Scheiben zustande. Diese Arbeitsgrundlage und das Flair der 1960er-Jahre übertrug sich auch auf die Handlung im Buch. Dies ließne schon die kurzen aber treffenden Passagen erahnen, welche die Autoren zum Besten gaben.

Mordermittlungen zur Zeit der Studentenproteste

Nebenbei erfuhren die Besucher unter anderem, wie detailreich die Orte der Handlung recherchiert wurden. Auch stellte sich heraus, wie sich im Schreibprozess die etwas komplizierte Persönlichkeit des Kommissars Wolf Heller herausbildete. Dieser ist mit der Aufklärung eines Mordes betraut. Doch während der Ermittlungen offenbaren sich immer mehr Verbindungen zu den eigenen Polizei-Kollegen.

Die Handlung ist angesiedelt in der unruhigen Zeit der Berliner Studentenproteste. Mann sollte aber der Versuchung erliegen, lediglich die üblichen Bilder jener Zeit herauf zu beschwören: Berlin voll von wilden Studenten, Stasi-Mitarbeitern und schiesswütigen Polizisten. Die Autoren machten unter Einbeziehung des Publikum auf ungewöhnliche Art deutlich, wie man sich die Zeit tatsächlich vorstellen musste.

Interakive Lesung im Spionagemuseum

Auf den Stühlen des Veranstaltungsraums fanden die Besucher Karten vor, die ihnen auf der Rückseite eine Rolle zuwiesen: Polizist, Berliner, Student, Stasi etc. Das Mengenverhältnis jeder Karten-Gruppe spiegelte jenes der Bevölkerungsgruppe aus den 1960er-Jahren in Berlin wieder. Als sich auf Aufruf die jeweiligen Gruppen erhoben, wurde schnell klar: Studenten stellten damals eine klare Minderheit dar.

Die berühmten Studentenproteste wurden von einer radikalen Gruppe von etwa 300 Studenten vorangetrieben und nicht von tausenden von Unruhestiftern, wie es oft den Eindruck hat. Eine ebenso unterhaltsame wie einprägsame Art der Geschichtsvermittlung.

Nicht minder eindrucksvoll war die großformatige Rekonstruktion des berühmten Nackt-Fotos der Kommune 1. Hier wurde deutlich, mit wieviel Körpereinsatz die Autoren ihre Mission nahmen, den 68er-Spirit einzufangen. Man darf mit Spannung erwarten, was den Autoren als nächstes einfällt. Das Schriftsteller-Kollektiv plant bereits eine Triologie: Nach dem 1968-Thriller soll ein 1969- und ein 1970er-Thriller folgen.


Die nächste Veranstaltung im Deutschen Spionagemuseum am 27. September 2018 entführt die Besucher mit einem Hörtheater in die Welt des Stasi-Meisterfälschers Günter Pelzl. Der Eintritt ist wie immer frei.

Autor: Florian Schimikowski

Veröffentlicht am: 19.09.2018